«Windfrieden» in Thüringen? Ramelow macht Gesprächsangebot
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion im Streit um Windräder vor einem möglichen Eklat Gespräche angeboten. Basis könnte der entstehende Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen beim Thema regenerative Energie sein, sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Der Streit, bei dem es um eine 1000-Meter-Abstandsregel für Windräder von Wohngebäuden geht, hat wegen der angekündigten Unterstützung der CDU-Pläne durch die AfD-Fraktion mit Chef Björn Höcke bundesweit Wellen geschlagen.
Hintergrund ist, dass die Oppositionsfraktionen CDU und AfD sowie die FDP-Gruppe Ramelows rot-rot-grüne Minderheitskoalition im Landtag überstimmen können, wenn sie gemeinsam agieren. Linke, SPD und Grünen fehlen vier Stimmen für eine eigene Mehrheit.
Ramelow sprach von einer Blaupause, die Schwarz-Grün in NRW und in Schleswig-Holstein beim Thema erneuerbare Energien für Thüringen liefern könnten. «Da wird ein guter Weg beschrieben werden und er bildet aktuell auch die Zwänge mit ab, die durch die Erpressbarkeit bei Energie durch Russland entstanden sind.» Gespräche auf Basis eines NRW-Energiepapiers sowie einen «Windfrieden» mit Aussetzung der Landtagsabstimmung in dieser Woche bot auch Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) der CDU an.
CDU-Faktionschef Mario Voigt zeigte sich offen für Gespräche. Der Ball liege aber bei Rot-Rot-Grün. «Es ist absurd, uns eine mögliche Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen Thüringer AfD zu unterstellen wie einige Bundespolitiker von SPD und Grünen», sagte Voigt der dpa. Er verwies auf die Kompromissbereitschaft seiner Fraktion angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Landtag - zwei Haushalte seien bereits mit CDU-Unterstützung verabschiedet worden.
«Aber Rot-Rot-Grün muss genauso kompromissfähig sein wie wir», sagte der Oppositionspolitiker. Das gelte für die 1000-Abstandsregelung von Windrädern zu Wohngebäuden, die alle anderen ostdeutschen Bundesländer bereits hätten. Gerde sei sie in Sachsen mit Stimmen von CDU, SPD und Grünen beschlossen worden. Die Abstandsregel forderte auch der Gruppensprecher der FDP im Landtag, Thomas Kemmerich. Er warf Rot-Rot-Grün vor, eine Eskalation bei Sachthemen zu betreiben.
Kompromissfähigkeit fordere Voigt von der Minderheitskoalition auch bei der Schulgeldfreiheit für Gesundheitsberufe, auf die seine Fraktion poche. Sie ist Thema einer Sondersitzung des Landtags an diesem Mittwoch. «Ich erwarte von Ministerpräsident Bodo Ramelow, dass seine Regierung die Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsfachberufe sofort herstellt», so Voigt.
Die CDU-Fraktion steckt mit ihren Vorstößen zu Windkraft und Schulgeldfreiheit politisch in der Klemme, weil die AfD in beiden Fragen ihre Unterstützung signalisiert hat. «Was sich in Thüringen anbahnt, ist alarmierend. Das ist keine Angelegenheit eines Bundeslandes», erklärte die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, in Berlin. CDU-Parteichef Friedrich Merz müsse eingreifen, forderte sie. Ähnlich hatte sich auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geäußert. Ein Gesetz gegen die Stimmen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung sei «eine Gesetzesmehrheit von Höckes Gnaden», sagte Kühnert dem «Spiegel».
Ramelow warf der CDU-Fraktion eine «ideologiegetriebene Blockadepolitik beim Windkraftausbau» vor. Sie würde derzeit mit ihrem Drängen auf die 1000-Meter-Abstandsregel und der Verhinderung von Anlagen auf Brachflächen im Wald Arbeitsplätze gefährden. «Die Thüringer Wirtschaft will regenerative Energie nutzen.»
Das gelte besonders für die energieintensive Glasindustrie mit ihren rund 7000 Arbeitsplätzen, bei der angesichts der hohen Preise und der Abhängigkeit von Importen eine Umstellung von Gas auf Strom anstehe. Zudem habe der Bund angekündigt, dass künftig in Deutschland zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen vorbehalten sein soll. «Das wird kommen», sagte Ramelow. Im Freistaat liege der Anteil derzeit lediglich bei 0,4 Prozent. Voigt sagte, auch seine Fraktion setze auf den Ausbau erneuerbarer Energien, habe aber auch die Interessen Betroffener im Blick.
CDU und FDP haben in Thüringen bereits negative Erfahrungen im Umgang mit der AfD gemacht. Am 5. Februar 2020 war der FDP-Politiker Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Die AfD hatte dafür ihren eigenen Kandidaten fallengelassen und für Kemmerich votiert. Das Ereignis hatte einen bundesweiten Sturm der Entrüstung ausgelöst. Kemmerich trat kurzfristig zurück.
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