Willi-Sitte-Retrospektive: Museum «überwältigt» von Resonanz
Rund 30.000 Menschen haben die Ausstellung zum Leben und Werk des umstrittenen Künstlers Willi Sitte (1921-2013) im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) bisher gesehen. Die Schau «Sittes Welt» aus Anlass des 100. Geburtstages des Malers wurde Anfang Oktober 2021 eröffnet und endet am Sonntag (6. Februar). Die Retrospektive zeigt rund 250 Werke. Die Arbeiten entstanden in sieben Jahrzehnten, von den Anfängen bis zur letzten Schaffensperiode des Malers. «Wir sind überwältigt von der, bis auf wenige Ausnahmen, durchweg positiven Resonanz», sagte Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich.
Sitte gilt als Maler als einer der bedeutendsten Vertreter des 20. Jahrhunderts. Der 2013 in seinem langjährigen Wohn- und Arbeitsort Halle verstorbene Künstler ist wegen seiner Tätigkeit als hoher DDR-Kulturfunktionär bis heute umstritten. Anliegen der Ausstellung war es laut Museum, zum Nachdenken und Reflektieren anzuregen, Denkanstöße zur Aufarbeitung der Geschichte zu geben. Es sollte keine reine Werkschau sein.
Besucher hätten in persönlichen Gesprächen, per Telefon, Mail oder Gästebuch erklärt, dass es mehr als an der Zeit gewesen sei, diese Retrospektive durchzuführen, sagte der Kunsthistoriker Bauer-Friedrich. «Außerordentlich freut es uns, dass wir weitaus mehr als sonst üblich ein jüngeres Publikum erreicht haben», sagte der Museumsdirektor. Dazu gehörten Menschen in ihren 20er und 30er Lebensjahren, die die DDR nicht mehr selbst erfahren haben.
Stichpunktartige Umfragen des Museums hätten ergeben, das junge Besucher ein großes Interesse an der DDR-Geschichte überhaupt haben. «Die Nachwendegeneration möchte erfahren, wie ihre Eltern vor 1989 gelebt haben, möchte die politischen Rahmenstrukturen ebenso kennenlernen wie Einzelschicksale», sagte Bauer-Friedrich.
Nach der Schließung der Ausstellung kehren die meisten Leihgaben den Angaben zufolge an die Eigentümer zurück. Ein Konvolut von Arbeiten aus dem Nachlass des Künstlers, das die Sitte-Sammlung des Museums erweitert und komplettiert, werde zunächst als Dauerleihgabe in der Moritzburg bleiben. 2023 soll es eine Folgeausstellung im niederländischen Zwolle geben, wie Bauer-Friedrich sagte.
Sitte war als Funktionär Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR und saß zeitweilig in der Kulturkommission des Zentralkomitees der SED. In der westdeutschen und europäischen Kunstszene wurde er spätestens durch seine Teilnahme an der documenta im Jahr 1977 in Kassel wahrgenommen, wo er zusammen mit den Begründern des Malstils «Leipziger Schule» wie Bernhard Heisig (1925-2011), Wolfgang Mattheuer (1927-2004) und Werner Tübke (1929-2004) die DDR vertrat.
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