Wie die Bezahlkarte für Geflüchtete funktioniert
Die Testläufe für Bezahlkarten für Flüchtlinge in zwei Thüringer Landkreisen stoßen auf geteiltes Echo. «Wir bewerten es als vollen Erfolg», sagte etwa die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) am Donnerstag. Auch die Verantwortlichen im Eichsfeld zeigten sich mit den seit Dezember ausgegebenen Karten zufrieden. Der Flüchtlingsrat übte hingegen scharfe Kritik.
In Thüringen wollen nun Landkreise nachziehen. Wann die beschlossene landes- und bundesweite Lösung kommt, ist aber noch nicht absehbar.
Wie die Kreise die Bezahlkarte bewerten
In Greiz nutzen laut Schweinsburg derzeit 200 der 740 Asylbewerber die Karte. Sie erhielten darauf fast alle Leistungen, im Schnitt 100 Euro bekämen sie bar. Bezahlt werden könne überall, wo Mastercard akzeptiert werde. Das System sei störungsfrei angelaufen, aus der Wirtschaft habe es positive Rückmeldungen gegeben. Außerdem sei der Verwaltungsaufwand gesunken. In der Bevölkerung komme das gut an.
Und noch einen Punkt betonte Schweinsburg am Donnerstag: Die Karte sei regional beschränkt, damit bleibe das Geld im Landkreis. Teils habe es Beschwerden gegeben, dass Kredite im Ausland nicht mehr bedient werden könnten. Schweinsburg erklärte: «Genau das ist nicht gewollt.» Andere Asylbewerber seien hingegen froh, dass sie nicht mehr das ganze Bargeld für einen Monat mit sich herumtragen müssten.
Auch im Eichsfeld, wo Anfang Januar 43 Menschen und ab Februar 136 Flüchtlingen die Karte nutzen, zeigt sich der Landkreis zufrieden. Etwa 55 bis 65 Prozent der Leistungen werden auf eine Edenred-Karte geladen, der Rest bar ausgezahlt. Der Anbieter arbeitet in der Regel mit einzelnen Kooperationspartnern zusammen, bei denen man einkaufen kann.
Das Ziel sei eine Rückbesinnung auf Sachleistungen nach medialen Debatten über den Abstand zwischen Arbeitslohn und Versorgungsleistungen für Flüchtlinge gewesen, hieß es. «Die damit verbundene Klarstellung ist in der Bevölkerung angekommen und wird akzeptiert.»
Was Flüchtlingshelfer und Betroffene sagen
«Dass jemand davon nicht unbedingt begeistert ist, ist klar», sagte Dagmar Pöhland vom Verband für Behinderte Greiz, der auch Flüchtlinge berät und betreut, zu den Einschränkungen der Karte. Generell sei sie aber akzeptiert worden. Die Menschen seien auch angesichts der gedrehten gesellschaftlichen Stimmung gegen Flüchtlinge froh, dass sie überhaupt eine Leistung erhielten. «Eine Aufnahmegesellschaft sind wir schon lange nicht mehr», sagte sie.
«Die Bezahlkarte wird schon ein bisschen die Spreu vom Weizen trennen», sagte Pöhland weiter. Wer wirklich auf der Flucht sei, dem sei das egal. «Wir wissen von mehreren Menschen, die gesagt haben «Das wollen wir so nicht» und binnen kürzester Zeit ausgereist sind.»
Deutliche Kritik an der aktuellen Regelung in den Kreisen kommt vom Thüringer Flüchtlingsrat. Sowohl in Greiz als auch im Eichsfeld gebe es erhebliche Einschränkungen für die Betroffenen. So könne zwar in Supermärkten bezahlt werden, beim Friseur, in kleineren Geschäften oder beim Erwerb eines Deutschlandtickets gebe es aber Probleme.
«Mit den geringen Leistungssätzen müssen Betroffene jetzt mühselig jonglieren, wo sie die Karte einsetzen können und wie sie Zahlungsaufforderungen gerecht werden können, wenn der Barbetrag aufgebraucht ist», sagt Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat.
Wie es in Deutschland und Thüringen weitergeht
Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, bundesweit eine Bezahlkarte einzuführen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis zum 31. Januar Vorschläge für bundesweit einheitliche Mindeststandards dazu erarbeiten.
Zuletzt hatte der «Spiegel» berichtet, dass sich fast alle Bundesländer außer Bayern an einer Ausschreibung für einen Dienstleister beteiligen wollen. Thüringens Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) betonte, der Freistaat sei daran interessiert, «dass eine Bezahlkarte so schnell wie möglich eingesetzt werden kann».
In Thüringen kamen Land und Kommunen am 9. Januar zu ersten Gesprächen über eine landesweite Bezahlkarte zusammen - dort stellte auch Schweinsburg die Erfahrungen in Greiz vor. Bis Ende des Monats sollen sich laut Innenministerium alle Beteiligten abgestimmt haben. «Thüringen präferiert ein einheitliches bundesweites System.»
Der Saale-Orla-Kreis plane noch im Februar eine Einführung einer Bezahlkarte, sagte Schweinsburg am Donnerstag. Sie ist auch Präsidentin des Landkreistages. Weitere Landkreise wollten nachziehen.
Dass eine Bundeslösung das Pilotprojekt in Greiz verdrängen könnte, befürchtet sie nicht. Zum einen bewege sich der Landkreis im Rahmen dessen, was Bund und Länder beschlossen hatten. Zum anderen gehe sie davon aus, dass es noch lange dauere, bis eine bundeseinheitliche Lösung stehe.
Auch in Sachsen planen nach einem Bericht von «Sächsische.de» mehrere Landkreise noch im Frühjahr die Einführung einer Bezahlkarte, mit der Barauszahlungen eingeschränkt werden sollen. In Hannover wurde im Dezember ebenfalls ein Kartensystem eingeführt, allerdings sind hier auch Abhebungen von Bargeld möglich. Auch im Ortenaukreis in Baden-Württemberg sollte ein solches Modell eingeführt werden.
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