Sammlungsmitarbeiterin Manuela Müller nimmt die Ambo-Puppe aus der Dauerausstellung im Deutschen Spielzeugmuseum., © Deutsches Spielzeugmuseum/Deutsches Spielzeugmuseum Sonneberg/dpa
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Wenige Sammlungsobjekte mit «unbedenklicher» Herkunft

23.10.2023

Nur wenige der bei einem Forschungsprojekt untersuchten Objekte in Thüringer Sammlungen haben eine eindeutig unproblematische Herkunftsgeschichte. Mehr als 2200 außereuropäische Objekte sowie 42 menschliche Überreste wie Haare oder Zähne aus fünf Museen seien für das Projekt dokumentiert worden, teilte der Museumsverband Thüringen am Montag mit. Der Fokus lag dabei auf kolonialen Zusammenhängen.

Bei einem Großteil (etwa 63 Prozent) der untersuchten Gegenstände sei offen, über welche Wege genau sie in die Sammlungen gelangt seien. Bei etwa 32 Prozent davon werde nun ein Unrechtskontext vermutet, bei dem beispielsweise Gewalt eine Rolle gespielt haben könnte. Lediglich fünf Prozent der überprüften Objekte seien demnach als unbedenklich einzuordnen.

Nicht eindeutig konnten etwa solche Objekte kategorisiert werden, die aus formalen Kolonialherrschaften stammen oder die noch keiner Herkunftsregion oder Volksgruppe zugeordnet werden konnten, wie es hieß. Weitere Spezialisten seien für die fachliche Einordnung noch gefragt.

Bestände in fünf Museen und Einrichtungen untersucht

Die Ethnologin und Provenienzforscherin Hannah Romstedt hat für das Provenienzforschungsprojekt Erstcheck sechs Monate lang außereuropäische Bestände untersucht. Dafür war sie in der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz, im Stadtmuseum Gera, im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg in Rudolstadt, im Deutschen Spielzeugmuseum Sonneberg und am Naturkundemuseum Mauritianum Altenburg tätig.

Anfang gemacht

«Die Kolonialzeit und deren Folgen für die Bestände der Thüringer Museen sind kaum erforscht», sagte der Präsident des Museumsverbandes, Roland Krischke. «Unser Projekt konnte ein wenig Licht ins Dunkel bringen.» Die teilnehmenden Museen hätten nicht nur mehr Erkenntnisse über ihre Sammlungen gewinnen, sondern auch ihr wissenschaftliches Netzwerk ausbauen können. Nun könnten die Museen etwa auch Folgeprojekte zur vertieften Untersuchung mit Unterstützung durch die Koordinierungsstelle Provenienzforschung beim Museumsverband erarbeiten, hieß es in der Mitteilung.

Museen reagieren auf Forschungsergebnisse

Einige der Museen haben demnach bereits Konsequenzen gezogen. In Greiz befindet sich ein Zauberbuch des Volkes der Batak aus Indonesien nun in einer Sondervitrine. Ähnliche «pustaha» genannte Bücher wurden in den teilnehmenden Museen in Gera und Rudolstadt identifiziert. Sie können künftig in wissenschaftliche Datenbanken aufgenommen und von Experten näher untersucht werden.

Ein im Deutschen Spielzeugmuseum als vermeintliche Urform einer Puppe gezeigtes Objekt ist im Zuge des Erstchecks nun als Fruchtbarkeitssymbol identifiziert worden. Das Museum habe daraufhin die «Ambo-Puppe» des Ovambo-Volks aus Namibia aus der Ausstellung herausgenommen und arbeite an einer neuen Konzeptionierung.

Die Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft von Objekten. In der aktuellen Diskussion stehen vor allem problematische Erwerbsumstände wie Raub oder Repressionen im Fokus der Forschung.

© dpa-infocom, dpa:231023-99-670044/2

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