Weiter hohe Flüchtlingszahlen erwartet: Knapp 1000 in Suhl
Die Probleme bei der Aufnahme von Flüchtlingen dürften sich in Thüringen nach Einschätzung des Landesverwaltungsamtes auch im Herbst fortsetzen. Im August seien 900 Asylsuchende und 200 Menschen aus der Ukraine im Freistaat angekommen, sagte der Präsident des Weimarer Amtes, Frank Roßner, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Wir gehen davon aus, dass wir im September, Oktober und November mit den gleichen Entwicklungen rechnen müssen.» Im Mittel der vergangenen Jahre seien es jährlich weniger als 3000 Menschen gewesen.
Gleichzeitig gebe es ein «massives Abflussproblem» in die Kommunen, klagte Roßner. Im August seien nur 250 Asylsuchende an Städte und Gemeinden verteilt worden. Von bislang 200 Ankommenden im September seien erst 25 Menschen in die Kommunen gegangen. Die Einrichtungen des Landes seien so schon lange an der Grenze. «Viel mehr als eine Notunterkunft kriegen wir bei diesen Ankunftszahlen nicht hin.»
«Wir müssen die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, reduzieren», sagte Innenminister Georg Maier (SPD) dem «Spiegel». Er sprach sich für eine Aufnahme weiterer Länder auf die Liste der «sicheren Herkunftsstaaten» aus, in die leichter abgeschoben werden kann. «Für mich zählen die Maghrebstaaten (Algerien, Tunesien und Marokko) dazu.»
Roßner sagte weiter, er sehe mit Sorge auf die kommenden Monate, weil die Tage dunkler würden und das noch mehr auf den Gemütszustand schlage. Schon heute sei das Personal etwa in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl ausgebrannt. «Das ist ein Knochenjob.» Dazu kämen Konflikte unter den Geflüchteten selbst. Es sei auch nicht überraschend, dass die hohe Belastung der vergangenen anderthalb Jahre in der Einrichtung zu «Verschleißerscheinungen» geführt habe.
Suhls Oberbürgermeister André Knapp (CDU) berichtete am Freitag von gravierenden Mängeln in den Bereichen Brandschutz und Hygiene. Der Zustand des medizinischen Versorgungspunktes sei bedenklich, außerdem seien Brandschutztüren teils verkehrt herum eingebaut oder verschlossen. Das habe er Roßner in einem Gespräch dargestellt. In den kommenden Wochen soll geklärt werden, wie die Mängel behoben werden können.
Aus der Suhler Einrichtung waren erst vergangene Woche 350 Menschen in eine Notunterkunft nach Hermsdorf verlegt worden. Nach Angaben von Knapp waren aber am Freitag schon wieder 986 Plätze belegt. «Man kann sicher sein, dass das bis zum Wochenende auf über 1000 ansteigt.» Eigentlich sei 800 die Zahl, bis zu der ein reibungsloser Ablauf funktionieren könne. Diese Zahl wird aber laut Roßner seit Monaten regelmäßig überschritten.
Roßner sagte, er erkenne die Anstrengungen der Kommunen an. Zu Beginn des Krieges in der Ukraine hätten sie 20.000 Plätze vorgehalten, jetzt seien es 36.000. Zugleich gebe es aber nach wie vor viel Leerstand und er sehe keine Aktivitäten, die aktuell angespannte Situation zu lösen. Die Wohnungswirtschaft habe etwa angekündigt, 2500 neue Wohnungen zu schaffen, wenn es ein Förderprogramm gebe. «Jetzt ist das Förderprogramm da, aber ich sehe keine Wohnungen, die ans Netz gehen. So kannst du die Aufgabe wirklich nicht schaffen.»
Knapp hingegen sagte, die Kommunen hätten immer wieder darauf hingewiesen, dass das Land mehr Kapazitäten erschließen müsse. «Das hat Thüringen einfach verschlafen.» Dass der Freistaat nun nach einem weiteren Gebäude sucht oder Containerlösungen in Hermsdorf oder Eisenberg in Aussicht stellt, stimme ihn etwa wegen der Lieferfristen für Container bis kommenden Sommer nachdenklich.
Auch Roßner betonte, dass eine zusätzliche Landeseinrichtung, für die das Land derzeit eine Immobilie sucht, das Problem nicht lösen könne. «Das würde uns einen Monat retten. Und dann?» Generell denke er, dass die Zahlen, die im Raum stehen, noch lösbar seien. Dafür müssten aber alle an einem Strang ziehen. «Mich ärgert wirklich, dass uns in Thüringen abhanden gekommen ist, dass das Land und die Kommunen Hand in Hand an der Problemlösung arbeiten.» Stattdessen werde über die Finanzierung gestritten. Erst Mitte August hatten mehrere Landkreise angekündigt, juristisch gegen Regeln zur Kostenerstattung bei der Flüchtlingsversorgung vorgehen zu wollen.
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