Wehrpflicht-Debatte: Ramelow erhält Widerspruch
Die Debatte um eine mögliche Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht hat auch in Thüringen Diskussionen ausgelöst. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) befürwortete unter bestimmten Bedingungen eine allgemeine Wehrpflicht - und erntete dafür teils Widerspruch aus den Reihen seiner rot-rot-grünen Koalition. «Den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine als Argument für die Wiedereinführung einer Wehrpflicht oder auch einer allgemeinen Dienstpflicht zu nutzen, halten wir für grundlegend falsch», sagte die Thüringer Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich am Mittwoch in Erfurt.
Eine allgemeine Wehrpflicht sei immer auch ein Rekrutierungsinstrument «für eine Massenarmee». Eine solche Armee allerdings werde den Erfordernissen der internationalen Krisenbewältigung im Auftrag der Vereinten Nationen nicht gerecht, argumentierte sie.
Ramelow hatte zuvor in seinem Blog geschrieben: «Im Gegensatz zu meiner Partei bin ich sowohl für eine gut ausgerüstete Bundeswehr als auch für eine allgemeine Wehrpflicht». Darin formulierte er aber auch einige Bedingungen dafür: Beides müsse modern gestaltet werden, schrieb Ramelow, «und der Auftrag der Truppe so klar formuliert sein, dass sich die Bevölkerung hinter ihren Zielen vereinigen kann».
In dem Tagebucheintrag, den Ramelow bereits am Dienstag veröffentlichte, plädierte der 66-Jährige für eine «Parlamentsarmee der Landesverteidigung». Diese müsse im Bündnis mit europäischen Partnern in der Lage sein, Deutschland und Europa zu verteidigen «nicht mehr und nicht weniger», wie Ramelow schrieb.
Seiner Ansicht nach sollte eine solche Armee auf Verteidigung beschränkt sein - ohne Auslandseinsätze wie in Afghanistan oder in Mali: «Landesverteidigung als Auftrag», erklärte Ramelow am Mittwoch auf Nachfrage.
Angesichts der Invasion Russlands in die Ukraine ist in Deutschland eine Debatte über die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht entstanden. Sie wurde im Jahr 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam.
Führende SPD-Politiker hatten sich zuletzt dagegen ausgesprochen, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Auch aus den Reihen von CDU und FDP wurde Skepsis über einen solchen Vorstoß laut.
Die Thüringer FDP-Gruppe im Landtag kritisierte Ramelow für seine Haltung: «Die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr hängt nicht von einer möglichst großen Zahl an Wehrpflichtigen ab, die jeweils für einige Monate mit geschultertem Gewehr stramm stehen», erklärte FDP-Gruppensprecher Thomas Kemmerich. Vielmehr brauche eine moderne Armee sehr gut ausgebildetes, teils hoch spezialisiertes Personal.
Auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, hatte sich gegen die Wiedereinführung einer Wehrpflicht ausgesprochen. «Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet», sagte Zorn den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
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