Wahl mit Überraschungen: Student neuer Grünen-Landeschef
Er gewann mit einem emotionalen Plädoyer für Klimaschutz und Zusammenhalt: Der Soziologiestudent und Imker Max Reschke ist neuer Parteichef der Thüringer Grünen. Der 27-Jährige wurde am Samstag auf einer Landesdelegiertenkonferenz in Walldorf bei Meiningen als Nachfolger von Bernhard Stengele gewählt, der seit Februar Energie- und Umweltminister in Thüringen ist. Reschke bildet nun mit Ann-Sophie Bohm, die seit einiger Zeit Landessprecherin ist, die Doppelspitze der Grünen, die in Thüringen Regierungspartei sind.
Der 27-Jährige setzte sich mit 62 Stimmen gegen Christina Prothmann aus Jena durch, für die 36 Delegierte votierten. Die 32 Jahre alte Sozialarbeiterin und Ortsteilbürgermeisterin in Jena hatte sich erst kurz vor der Abstimmung beworben. Reschke, der aus dem Weimarer Land stammt, gab seine Kandidatur einen Tag vor der Delegiertenkonferenz ab. Beide waren damit Überraschungskandidaten - bei Prothmann musste die Versammlungsleitung nach der richtigen Schreibweise ihres Namens fragen.
Lange galt der Bundeswehr-Offizier Matthias Kaiser aus Gotha als einziger Kandidat für das Amt als Parteichef. Er zog seine Bewerbung aber auf der Delegiertenkonferenz zurück. Er sei in den vergangenen Tagen zu der Erkenntnis gekommen, er sei der falsche Bewerber zu dieser Zeit, begründete der 44-Jährige seine Entscheidung. Er war vor seinem Eintritt bei den Grünen 2019 nach eigenen Angaben etwa zehn Jahre lang CDU-Mitglied.
Reschke, der in Apolda lebt, will nach eigenen Angaben in diesem Jahr sein Studium abschließen. Seinen Lebensunterhalt verdiene er sich als Imker. Der 27-Jährige, der sich seit seiner Jugend bei den Grünen engagiert und 2014 Mitglied wurde, sagte in seiner Bewerbungsrede: «Wir müssen aufhören, uns nur um uns selbst zu kümmern.» Es gelte, um Themen zu streiten, «nicht mehr um Personen». Er spielte damit indirekt auf das Personalkarussell der Grünen in der rot-rot-grünen Landesregierung an.
Dabei hatte Migrationsminister Dirk Adams sein Amt verloren - auf der Delegiertenkonferenz übte er Kritik am Agieren des Landesvorstandes. Bis heute fehle eine eindeutige Begründung, warum der Vorstand Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) aufgefordert habe, ihn als Minister zu entlassen, sagte Adams. «Es muss auf den Tisch kommen, was falsch war.»
Adams, der zeitweise auch Fraktionschef der Grünen im Thüringer Landtag war, mahnte einen fairen Umgang bei den Grünen an: «Tut das nie mehr mit einem Menschen.» Adams will nach eigenen Angaben ein «verantwortungsvoller Grüner bleiben». Auch einige Delegierte kritisierten den Umgang mit den Ministern der Partei.
Der neue Umweltminister Stengele plädierte in Walldorf für einen Landesfonds, um stärker als bisher in die Energiewende zu investieren. «Wir müssen Geld in die Hand nehmen, um der Klimakrise zu begegnen», sagte der Umweltminister. Er sprach von einem «Transformationsfonds», auf den sich die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Thüringen bisher nicht einigen konnte.
Es sei wichtig, dass der Staat Investitionen anschiebe, um mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu machen. Sollte nach der Landtagswahl 2024 Rot-Rot-Grün fortgesetzt werden, «müssen bestimmte Dinge auf den Tisch», sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Landtagsfraktion, Madeleine Henfling. Dazu gehöre mehr Geld zur Bewältigung der Klimakrise und zur Finanzierung der Folgen von Migration.
Auf der Delegiertenkonferenz wurde ein Antrag zurückgezogen, der Waffenlieferungen in Kriegsgebiete infrage stellte und diplomatischen Initiativen die Priorität geben wollte. Angenommen wurden schließlich ein Alternativantrag, der das Selbstverteidigungsrecht als Völkerrecht und die Solidarität mit der Ukraine in den Mittelpunkt stellte. «Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann gibt es die Ukraine nicht mehr», sagte die politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning.
Die Grünen sind seit 2014 Regierungspartei in Thüringen, seit 2020 in einer Minderheitskoalition mit den Linken und der SPD. In repräsentativen Umfragen liegen die Grünen, die rund 1400 Mitglieder haben, bisher zwischen fünf und sieben Prozent.
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