Virtuelle Gedenkstätte: DDR-Kinderheimgeschichte auf Website
Die Aufarbeitung der Geschichte von DDR-Kinderheimen in Thüringen dauert an. «Wir entdecken in den Akten immer noch Hinweise auf zeitweilige Standorte von Heimen», sagte Manfred May, Projektverantwortlicher der digitalen Plattform www.heimortethueringen.de, die seit 2020 ehemalige Kinderheime auf Thüringer Gebiet zwischen 1945 und 1990 dokumentiert. Sie erscheint seit Donnerstag in aktualisierter Fassung. Hier werden Hinweise von Menschen, die zeitweise in diesen Einrichtungen aufgewachsen sind, gesammelt. Bislang seien mindestens 142 Thüringer Orte bekannt, in denen es in sowjetischer Besatzungszone und DDR Kinderheime gab.
Die Online-Standortkarte ist vom Bürgerkomitee Thüringen, dessen Wurzeln in den DDR-Wendeherbst 1989 zurückreichen, entwickelt worden. Seit einigen Jahren stehen die DDR-Kinderheime vor allem im Fokus, weil sie auch Teil des dortigen politischen Unterdrückungssystems waren und viele Kinder und Jugendliche dort Gewalt und psychischem Druck ausgesetzt waren. Das betrifft etwa die berüchtigten Jugendwerkhöfe oder Spezialheime für von den DDR-Behörden als «schwer erziehbar» klassifizierten Mädchen und Jungen.
Allein auf diesen Aspekt lässt sich die Heimgeschichte aus Sicht von May aber nicht reduzieren. Die Praxis der Heimeinweisung sei eine sehr unterschiedliche gewesen, sagte er. «Es war keineswegs nur so, dass nur Kinder politisch Verfolgter eingewiesen wurden.» Oft habe es sich auch um Fürsorgefälle gehandelt, wobei dann nicht alle Kinder tatsächlich auch fürsorglich behandelt worden seien.
Die Website erfasst neben staatlichen Heimen auch Einrichtungen kirchlicher und privater Träger bis 1952, Stationen von Kinder- und Jugendpsychiatrien, Behinderteneinrichtungen und Pflegeheime. In der DDR waren Schätzungen zufolge knapp 500.000 Kinder und Jugendliche zeitweilig in Heimen untergebracht.
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