Viele Flüchtlinge wollen langfristig in Thüringen bleiben
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Viele Flüchtlinge wollen langfristig in Thüringen bleiben

26.08.2022

Viele der in Thüringen lebenden ukrainischen Flüchtlinge planen nach den Erkenntnissen von Erfurter Forschern für lange Zeit im Freistaat zu bleiben. «Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir hier nicht von einer kurzfristigen Herausforderung reden, sondern von einer langfristigen», sagte der Leiter des Instituts für kommunale Planung und Entwicklung, Jörg Fischer, am Freitag in Erfurt. In einer aktuellen Umfrage des Instituts hätten ungefähr 40 Prozent der Befragten angegeben, sie planten langfristig im Land zu leben und nicht in die Ukraine zurückkehren zu wollen.

Zwar sei die Umfrage des Instituts nicht repräsentativ, räumte Fischer ein. Allerdings zeige sich darin dennoch eine eindeutige Tendenz. An der Umfrage hatten sich nach Angaben des Instituts insgesamt 571 Männer und Frauen beteiligt, die aus der Ukraine nach Thüringen geflüchtet waren. Die Befragung war im Juni durchgeführt worden.

Dass viele der in Thüringen lebendenden Ukrainer im Freistaat bleiben wollten, liege auch daran, dass viele von ihnen aus dem Osten der Ukraine gekommen seien, sagte Fischer. Die Region ist inzwischen zu einem großen Teil unter russischer Kontrolle. Eine Rückkehr dorthin sei faktisch kaum möglich. «Was wir hier sehen, sind Menschen, die aus den Kriegsgebieten zu uns gekommen sind», sagte Fischer.

Eine ukrainische Gastwissenschaftlerin, die das Institut bei der Erhebung der Daten unterstützt hatte, erklärte, ein großes Problem für die nach Thüringen gekommenen Ukrainer sei, dass es zu wenig psychologische oder seelsorgerische Hilfen oder Angebote für Traumatisierte gebe. Das spiegelt sich auch in der Erhebung wider. Etwa 70 Prozent der Befragten gaben an, für sie sei der Bedarf an psychologischer Versorgung sehr hoch oder hoch.

Auch Fischer sagte, es gebe auf diesem Feld eine Nachfrage, der nicht gedeckt werden könne. «Wir haben bei der psychologischen Grundversorgung aus 2015 nicht gelernt», sagte er. Schon in der damaligen Flüchtlingskrise waren viel mehr Menschen zum Beispiel mit posttraumatischen Belastungsstörungen nach Deutschland gekommen, die aufgrund der begrenzten Hilfskapazitäten nicht betreut werden konnten.

Erfreulich sind nach Einschätzung Fischers die Angaben zu denen, die die Flüchtlinge beim Ankommen in Thüringen unterstützt haben. Die Teilnehmer der Umfrage seien oft sehr zufrieden mit den Hilfen, die sie beispielsweise von den kommunalen Verwaltungen, aber auch von deutschen Flüchtlingshelfern erhalten hätten, hieß es. Sowohl die Kommunen als auch die Ehrenamtler hätten offenbar wichtige Rückschlüsse aus der Flüchtlingskrise von 2015 gezogen. «Ohne diese Situation 2015 wäre das jetzt im Jahr 2022 anders verlaufen», sagte Fischer.

Inzwischen sind nach Angaben des Landesverwaltungsamtes etwa 26 000 ukrainische Flüchtlinge in Thüringen registriert worden. Vor sieben Jahren – auf dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingskrise – waren etwa 30 000 Menschen aus verschiedensten Ländern nach Thüringen gekommen.

Das Institut für kommunale Planung und Entwicklung gibt es seit 2014. Es wurde nach eigenen Angaben von Thüringer Kommunen, vom Sozialministerium und Wissenschaftlern gegründet und ist über eine Kooperation mit der Fachhochschule Erfurt verbunden. Fischer ist zugleich Professor für Bildungs- und Erziehungskonzepte an der Hochschule.

© dpa-infocom, dpa:220826-99-525885/3

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