Ein obdachloser Mann schiebt einen Einkaufswagen über eine Fußgängerstraße., © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild
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Verelendung auf der Straße: 1400 Thüringer ohne Wohnung

20.06.2023

Neben Männern sind nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zunehmend Familien, Frauen und auch Migranten wohnungslos. Vertreter wohnungsloser Menschen verlangten am Montag bei einer Fachkonferenz in Ilmenau einen realistischen Blick auf das Ausmaß der Obdachlosigkeit in Deutschland. Allein in Thüringen gibt es laut Sozialministerium etwa 1400 Wohnungslose. Etwa zwei Drittel von ihnen sollen Männer sein, etwa ein Drittel Frauen.

Insbesondere aus Osteuropa stammende Menschen erlebten oft eine «absolute Verelendung auf der Straße», weil sie durch das soziale Netz fielen. «Man muss sagen, dass die echt vor sich hinvegetieren», sagte der für Wohnen zuständige Fachreferent der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Paul Neupert. Das Stereotyp von überwiegend männlichen Obdachlosen sei falsch, sagte Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Linke). Die Ergebnisse der Fachkonferenz sollen genutzt werden, um eine Strategie gegen Wohnungslosigkeit in Thüringen zu erarbeiten.

Werner räumte ein, dass das Thema Wohnungslosigkeit in den vergangenen Jahren auch politisch eher weniger im Fokus stand. Zwar gebe es in einzelnen Kommunen gute Beispiele dafür, wie Wohnungslosen besser als in der Vergangenheit geholfen werden könne. Wichtig sei aber, dass diese Menschen überall Zugang zu Hilfsangeboten hätten. «Wir müssen uns breiter aufstellen», sagte die Ministerin.

Die Schätzung der Zahl der Wohnungslosen in Thüringen ist eine rechnerische Ableitung aus dem ersten Wohnungslosenbericht der Bundesregierung. Als wohnungslos gelten Menschen, die kein Zuhause haben und deshalb auf der Straße oder in Notunterkünften leben. Zudem gibt es eine verdeckte Wohnungslosigkeit - wenn Menschen ohne eigene Wohnung zum Beispiel bei Bekannten unterkommen.

Wie Neupert berichteten auf der Tagung auch die Vertreter mehrerer Städte und Gemeinden sowie von Jobcentern, dass Wohnungslose in Deutschland regelmäßig von einer Kommune in die nächste geschickt würden, weil sich viele Kommunen nicht in der Lage sähen, sich um die Menschen zu kümmern. Dabei sei dies rechtlich unzulässig, hieß es. Die Kommunen seien gesetzlich dazu verpflichtet, Menschen in Not zu helfen und sie bei sich zumindest provisorisch unterzubringen, wenn diese Menschen das wollten. «Da ist der Ermessensspielraum gegen Null», sagte Neupert.

© dpa-infocom, dpa:230619-99-108901/5

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