Verband: Hilferufe zu geflüchteten Roma aus der Ukraine
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Verband: Hilferufe zu geflüchteten Roma aus der Ukraine

19.07.2022

Immer mehr Kommunen wenden sich im Zuge der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine hilfesuchend an den Thüringer Landesverband der Sinti und Roma. «Wir erhalten seit Anfang Juli Hilferufe von den Behörden», sagte der Vorsitzende Jens Hellmann am Dienstag auf Anfrage. Hintergrund sei, dass seit Anfang des Monats vermehrt geflüchtete Roma mit Bussen nach Thüringen gekommen seien. Viele davon seien Analphabeten, außerdem gebe es Vorbehalte bei der lokalen Bevölkerung. Die Sozialarbeiter und Dolmetscher des Verbandes fahren seither in die jeweiligen Orte und Helfen bei der Übersetzung oder der Unterbringung.

Der Thüringer Landkreistag hatte vergangene Woche in einem offenen Brief Probleme benannt. Die Möglichkeiten der Landkreise, eine angemessene Unterbringung zu sichern, seien erschöpft, hieß es darin. Die Präsidentin des Landkreistages, Martina Schweinsburg (CDU), schrieb darin, dass die Unterbringung von ankommenden Großfamilien für die Kommunen problematisch sei.

Bei den geflüchteten Sinti und Roma handle es sich meist um Frauen mit ihren Kindern, sagte Hellmann. «Das sind alles ganz normale, nette Familien.» Dass Großfamilien mit mehreren Dutzend Menschen in den Freistaat kämen, sei «die totale Ausnahme». Er gab zu Bedenken, dass Menschen, die ihr Dorf und ihre Habseligkeiten im Krieg verloren haben, nicht auch noch ihre sozialen Kontakte verlieren wollen.

Hellmann zufolge fühlten sich viele Menschen in den Gemeinden von den ankommenden Roma bedroht. Es gebe Anfeindungen und falsche Beschuldigungen. Teils zögen Vermieter selbst in Regionen mit viel Leerstand ihre Wohnungsangebote wieder zurück, wenn sie erfahren, dass es um Flüchtlinge gehe. Es gebe zum einen eine bürokratische Hürde - nämlich dass Sozialämter die Wohnungskaution nicht übernehmen. «Aber zweitens sind das auch die Regionen, wo der Rassismus besonders festsitzend ist und die Leute unter sich bleiben wollen.»

Insgesamt sind laut Thüringer Landesverwaltungsamt bislang rund 23 500 Flüchtlinge aus der Ukraine in Thüringen angekommen. Darunter seien in den letzten Wochen auch immer wieder Großfamilien gewesen, sagte eine Sprecherin. Wie viele davon Roma sind, erfasst das Amt nicht. Roma gelten als größte ethnische Minderheit in Europa und kämpfen laut der EU-Agentur für Grundrechte nach wie vor mit «nicht hinnehmbarer Diskriminierung».

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© dpa-infocom, dpa:220719-99-78091/2

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