Eine junge Frau sitzt hinter leeren Bierflaschen., © Alexander Heinl/dpa/Symbolbild
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Verband fordert stigmafreien Umgang mit Suchtkrankheiten

22.05.2023

Der Umgang mit Suchterkrankungen ist in Deutschland aus Sicht von Fachleuten immer noch stark von Ausgrenzung geprägt. Die Stigmatisierung betroffener Menschen und ihrer Angehörigen sei weiterhin eher die Regel als die Ausnahme, kritisierte die Geschäftsführerin des Fachverbandes Drogen- und Suchthilfe, Eva Egartner, vor Beginn eines Bundeskongresses am Montag in Weimar. Bei der zweitägigen Tagung in Thüringen wollen rund 160 Teilnehmer vorwiegend aus der Suchthilfe darüber beraten.

«Wir haben das Problem, dass Suchterkrankungen noch immer nicht gleichgestellt sind etwa mit psychiatrischen und somatischen Diagnosen», sagte Egartner. So würden Abhängigkeitserkrankungen als Ausdruck persönlichen Fehlverhaltens gesehen und zeuge der Umgang mit den Betroffenen nicht selten von Herablassung und Diskriminierung. Notwendig sei aber, ihnen Brücken ins Hilfesystem zu bauen, anstatt ihnen den Zugang zu Leistungen zu verwehren.

So würden Suchtkranke zum Beispiel kaum eine ambulante Psychotherapie erhalten, sagte Egartner. Außerdem fühlten sich bei der Umwandlung der Strafe für drogenabhängige Häftlinge in eine Therapie die Krankenkassen oftmals nicht mehr zuständig. «Damit wird unser Klientel aus dem Hilfesystem ausgeschlossen, fühlt sich erneut stigmatisiert und reagiert aus Verzweiflung darüber wieder mit dem Griff zur Flasche oder setzt sich den nächsten Schuss.»

Zu einem stigmafreien Umgang gehöre ein uneingeschränkter Zugang für Suchtkranke zur Gesundheitsversorgung, sagte Egartner. Das gelte gleichwohl für die gesamte gesellschaftliche Teilhabe, zu der auch die Gleichbehandlung etwa auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt zähle.

Nach Einschätzung des Verbandes sind Suchterkrankungen nach der Corona-Pandemie weiter auf dem Vormarsch. Die derzeitige Situation mit Krieg und Krisen und der dadurch empfundenen Ausweglosigkeit lasse viele vermehrt zu Suchtstoffen greifen. Psychiater berichten in einer aktuellen Studie, dass sie bei ihren Patienten erneut einen erhöhten Alkoholkonsum festgestellt haben – 2020 waren es demnach 29 Prozent, 2021 schon 43 Prozent.

Dieser Trend ist auch bei Medikamenten und Drogen festzustellen. Nach Angaben des Bundesdrogenbeauftragten sind im vergangenen Jahr 1990 Menschen an den Folgen von illegalem Drogenkonsum gestorben. Das sind 9,6 Prozent mehr als im Vorjahr.

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