Schülerinnen und Schüler sitzen in einem Klassenzimmer., © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
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Verbände sehen Probleme bei geplanter Schulreform

03.03.2023

Mehr Inklusion oder mehr Elternwille? Wie umgehen mit kleinen Schulen oder der Digitalisierung des Unterrichts? Verbände und Kommunen haben bei einer Anhörung im Parlament Pläne für eine Reform des Thüringer Schulsystems kontrovers bewertet. Der Thüringische Landkreistag lehnte am Freitag eine Pflicht zur Zweizügigkeit für Grund- und Regelschulen ab. Offen zeigten sich mehrere Verbände für digitalen Unterricht, sofern die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Reizthema war erneut eine von Rot-Rot-Grün angestrebte Umstellung der Lehrerausbildung, die für die Opposition ein No-Go ist.

Kleine Schulen

Der Entwurf von Linke, SPD und Grünen will kleine Grundschulen stärker als bisher zu Kooperationen animieren. Schaffen sie keine Zweizügigkeit, sollen sie mit anderen Schulen kooperieren, um eine Schließung abzuwenden. Dies sei ein «klarer Eingriff in die Verantwortlichkeit des Schulträgers» und damit ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, sagte eine Fachreferentin des Landkreistages. Die oppositionelle CDU hatte bereits im Vorfeld vor Schulschließungen durch diese Regelung gewarnt. Auch der Thüringer Lehrerverband (tlv) lehnt eine verpflichtende Zweizügigkeit ab. «Es würde längere Fahrten für die Schülerinnen und Schüler bedeuten», sagte tlv-Sprecher Tim Reukauf am Rande der Anhörung. Kooperationsmodelle zielen darauf ab, dass sich Schulen Lehrer teilen können. Reukauf stellte in Frage, welchen Nutzen die Schulkooperationen bringen sollen. «Lehrer können auch jetzt schon abgeordnet werden», sagte er. Es sei bereits Realität, dass Lehrerinnen und Lehrer an mehreren Schulen unterrichten.

Digitalisierung

Rot-Rot-Grün will alle Schülerinnen und Schüler in der fünften Klasse mit digitalen Geräten ausstatten, die diese dann mit in die höheren Klassen nehmen sollen. Kosten: rund 6,5 Millionen Euro pro Jahr. Losgehen soll es den Plänen zufolge schon nächstes Jahr - zu schnell nach Ansicht der Kommunen. «Noch nicht alle Schulen haben diese Ausstattung, wie sie mit dem Digitalpakt angestrebt wird», sagte eine Vertreterin des Gemeinde- und Städtebundes. Baumaßnahmen seien noch nicht überall umgesetzt. «Die Zeitschiene ist uns zu kurz.» Reukauf vom Lehrerverband wies darauf hin, dass in Thüringen die Versorgung mit schnellem Internet generell noch nicht überall ausreichend sei. Das habe sich vor allem während der Corona-Pandemie offenbart. «Ich hatte viele Schüler, die kein Internet hatten», sagte er.

Besondere Leistungsfeststellung

Linke, SPD und Grüne wollen die Abschlussprüfung in der zehnten Klasse an Gymnasien abschaffen. Reukauf betonte die Vorteile der Prüfung. Abiturienten schätzten sie im Nachhinein oft als eine Vorbereitung auf die Abiturprüfungen. Die CDU-Fraktion lehnt eine Abschaffung der sogenannten Besonderen Leistungsfeststellung ab.

Neue Assistenten

Positiv bewerteten die Kommunen die Einführung von Verwaltungs- und pädagogischen Assistenten. Allerdings forderte der Landkreistag, dass diese als Landespersonal gelten sollten, weil sonst die Schulträger dafür zuständig wären, die räumlichen und sächlichen Voraussetzungen für die neuen Assistenten zu schaffen. Auch der Gemeinde- und Städtebund wünschte sich hier eine Klarstellung. Zudem müsse klar sein, welche Qualifikation Assistenten mitbringen müssten - und wie ihre Arbeit zu Schulsachbearbeitern abgegrenzt wird.

Inklusion

Das gemeinsame Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung gehört zu einem der strittigsten Bildungsthemen zwischen den Fraktionen im Thüringer Landtag - und auch die Anzuhörenden waren sich uneins. Während Thüringens Beauftragter für Menschen mit Behinderung, Joachim Leibiger, dafür warb, warnte Reukauf vom Lehrerverband vor einer «Inklusion mit der Brechstange». Die Kommunen forderten mehr Zeit und genauere Vorgaben, welche räumlichen, personellen und sächlichen Voraussetzungen für Inklusion nötig sind. Einen Entwurf von CDU und FDP, der eine stärkere Fokussierung auf den Elternwillen bei der Entscheidung, ob das Kind inklusiv oder in einer Förderschule beschult werden soll, vorsieht, begrüßte der Thüringische Landkreistag.

Lehrerausbildung

Zur Überraschung von Abgeordneten der Linken und der SPD kritisierte eine Vertreterin der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt die geplante grundlegende Umstellung der Lehrerausbildung. Die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteile blieben nach den Plänen unbestimmt, sagte sie. Studien zeigten, dass die für die unterschiedlichen Schularten nötigen Kompetenzen bei Lehrern «zielgerichtet und passgenau» vorbereitet werden müssten, argumentierte sie. Hochschulpolitiker Christian Schaft (Linke) sagte, er sei irritiert. Bildungspolitiker Thomas Hartung (SPD) äußerte sich ähnlich. Bereits im Jahr 2019 hatten sich Vertreter der Universitäten in Jena und Erfurt offen für eine Umstellung der Ausbildung gezeigt.

Rot-Rot-Grün will Lehrer nicht mehr nach Schularten, also speziell fürs Gymnasium oder Regelschulen ausbilden, sondern bezogen auf Schulstufen. Die Idee dahinter ist, dass beispielsweise Gymnasiallehrer künftig auch einfacher an Regelschulen eingesetzt werden können und umgekehrt. Die CDU ist strikt dagegen.

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