Überfall vor Staatskanzlei - Haftstrafen gefordert
Im Prozess wegen des Überfalls auf eine Gruppe junger Menschen vor der Thüringer Staatskanzlei hat die Staatsanwaltschaft Haft- und Bewährungsstrafen für die fünf Angeklagten gefordert. Die Männer müssten mit Freiheitsstrafen zwischen 22 Monaten und dreieinhalb Jahren bestraft werden, verlangte die Staatsanwaltschaft am Freitag vor dem Erfurter Landgericht. Zwei Strafen sollen demnach zur Bewährung ausgesetzt werden.
Zwar sei den Angeklagten zu Gute zuhalten, dass sie ihre Beteiligung an dem Angriff im Juli 2020 eingeräumt haben. Allerdings seien die Opfer dabei auch erheblich verletzt worden. Manche von ihnen seien bis heute insbesondere psychisch beeinträchtigt, argumentierte Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen. Er zählte die vielen Verletzungen der Oper auf, unter anderem Platzwunden und Prellungen. Manche der Angegriffenen seien bewusstlos gewesen. Ein Mann habe sich zwei Wochen flüssig ernähren müssen und sei drei Wochen arbeitsunfähig gewesen.
In diesem Verfahren sei ein Fall aufgeklärt worden, «der das Leben von vielen Menschen nachhaltig verändert hat», betonte Grünseisen. Der Überfall hatte sich im Hirschgarten ereignet, der direkt vor der Staatskanzlei in Erfurt liegt. Die Beweisaufnahme hat aus Sicht der Anklagebehörde erwiesen, dass die Angeklagten zu einer zwölfköpfigen Gruppe gehörten, die ihre Oper schlugen und traten. Die Männer hätten sich des Landesfriedensbruchs und der Körperverletzung schuldig gemacht.
Zwei der fünf Angeklagten im Alter zwischen 24 und 32 Jahren sollen nach dem Willen der Staatsanwaltschaft je 1000 Euro an die Opferschutzorganisation ezra zahlen. Diese habe mehrere Opfer nach deren Aussage gut durch dieses Verfahren begleitet. Das könne mit der Verhängung einer entsprechenden Geldauflage gewürdigt werden. Ob es ein rechtes Tatmotiv für den Übergriff gab - wie von ezra behauptet - lässt sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft aber nicht mit der nötigen Sicherheit nachweisen.
«Politische Motivation: Das kann man glauben, aber nicht beweisen», sagte Grünseisen. Die Indizien, die es dafür gebe, dass die Täter ihre Opfer als Linke identifiziert hätten, reichten nicht aus, um darauf eine mögliche Verurteilung zu stützen. Mehrere Zeugen in den Verfahren hatten die Vermutung geäußert, sie seien aus politischen Motiven angegriffen worden. Sie konnten das aber nicht konkret belegen. Die Angeklagten werden zumindest teilweise der rechtsextremen Szene zugeordnet, hatten aber eine politische Dimension des Übergriffs stets bestritten.
Der Prozess vor dem Landgericht Erfurt ist bereits das dritte Gerichtsverfahren, das wegen des Überfalls vor der Staatskanzlei geführt wird. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft sind dabei die mutmaßlichen Rädelsführer des Angriffs angeklagt. Zuletzt hatte es wegen des Überfalls bereits zwei Prozesse vor dem Amtsgericht Erfurt gegeben. Mehrere Personen wurden wegen Beteiligung an der Attacke schon rechtskräftig verurteilt.
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