«Turonen»-Prozess beginnt erneut: Anwälte deuten Aussage an
Überraschung zum erneuten Auftakt des «Turonen»-Prozesses vor dem Landgericht Erfurt: Die Verteidiger der Hauptgeklagten haben nach der Verlesung der Anklageschrift angedeutet, ihre Mandanten könnten sich zumindest teilweise geständig zeigen, wenn es zu einer Verständigung zwischen ihnen und der Staatsanwaltschaft komme. «Die Kammer würde sich einer Verständigung von vornherein nicht verschließen», sagte der Vorsitzende Richter am Montag in Erfurt als Reaktion auf diese Aussage. Das Gericht plane aber nicht, eine mögliche Verständigung zu forcieren. Genauere Angaben zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen machte zum Prozessbeginn keiner der in dem Prozess Angeklagten.
In dem Verfahren sind insgesamt neun Männer und Frauen angeklagte. Die Staatsanwaltschaft Gera wirft ihnen vor, im großen Stil mit Drogen gehandelt zu haben. Neben dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln werden einzelnen Angeklagten unter anderem auch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Zwangsprostitution sowie Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen. In den Jahren 2020 und 2021 sollen sie nach Angaben des Landgerichts mit Drogen im Gesamtwert von ungefähr 800.000 Euro gehandelt haben. Die Staatsanwaltschaft Gera ist in Thüringen zentral für die Verfolgung der Organisierten Kriminalität verantwortlich.
Der Prozess war im Juni schon einmal begonnen worden. Er hatte im August allerdings aus formalen Gründen ausgesetzt werden müssen, da ein Angeklagter krankheitsbedingt nicht zur Verhandlung erschienen war. Damit musste nun auch die Anklage neu verlesen werden. Alle Angeklagten gehören den Ermittlungen zufolge zu einer Gruppierung, die sich als «Bruderschaft Thüringen» bezeichnet. Diese wiederum gliedert sich in eine Führungsriege, die sich «Turonen» nennt, und deren Unterstützer, die «Garde 20».
In ihrer Anklage macht die Staatsanwaltschaft ganz deutlich, dass es sich bei den Angeklagten um Menschen mit einem rechtsextremen Weltbild handelt. «Die Mitglieder und Anhänger der Vereinigung eint ihre völkisch nationalistische und von Rassismus geprägte Gesinnung, die bei den Gruppenmitgliedern unterschiedlich stark ausgeprägt ist, aber von allen als Grundlage der gemeinsamen Betätigung anerkannt wird und identitätsstiftend ist», sagte die Staatsanwältin. Die Mitglieder würden jede staatliche Autorität ablehnen und hätten sich verpflichtet, nach eigenen Regeln zu leben. Innerhalb der «Bruderschaft» gelte ein Schweigegelübde für deren Mitglieder.
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