Thüringer Museen durch Klima-Aktionen alarmiert
Thüringer Museen sind aktuell besonders aufmerksam wegen der Proteste von Klimademonstranten, die Kunstwerke in Museen mit Lebensmitteln bewerfen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Die größeren Häuser in Weimar, Eisenach und Gotha berichteten der Deutschen Presse-Agentur, dass sie zurzeit erhöht auf Sicherheit achten. Demnach wurde allerorts das Sicherheitspersonal sensibilisiert.
Kassenkräfte, Aufsichten und der Sicherheitsdienst wurden etwa in Gotha, auf Schloss Friedenstein mit seinen historischen Räumen und Kunstkammern, angehalten, darauf zu achten, dass Gäste große Taschen in den dafür vorgesehenen Schließfächern verstauen, sagte eine Sprecherin der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Ebenso habe man kleinere mitgeführte Taschen im Blick.
Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten hatten in den vergangenen Monaten vermehrt berühmte Kunstwerke etwa in Dresden, Berlin und London ins Visier genommen und dort mit aufsehenerregenden Aktionen protestiert. Zuletzt warfen sie Kartoffelbrei auf ein 100 Millionen Euro teures Monet-Gemälde im Museum Barberini in Potsdam. Passiert ist dem Kunstwerk hinter Glas dabei nichts. Am vergangenen Wochenende klebten sich zwei Frauen im Berliner Museum für Naturkunde an die Haltestangen eines Dinosaurierskelettes. Aktionen dieser Art gibt es derzeit häufiger - im Inland wie auch im Ausland.
«Bereits vor den Vorfällen gab es diese Regelung, auf die nun aber noch einmal verstärkt geachtet wird», sagte die Sprecherin. Die Stiftung versuche, so gut wie möglich, die ihr anvertrauten Kunstobjekte zu schützen. «Sie ist sich aber bewusst, dass Vorfälle wie in anderen Häusern nicht auszuschließen sind und nicht alle Kunstwerke durch Glas oder Plexiglas geschützt werden können.» So könnten etwa die repräsentativen Wohngemächer der Herzöge nicht vollends gesichert werden. «Auch Überwachungskameras befinden sich in unseren Museen, die einen Angriff natürlich nicht verhindern, aber aufzeichnen können», sagte sie.
Auch auf der Unesco-Welterbestätte Wartburg sind die meisten Schätze aus acht Jahrhunderten in Glasvitrinen verstaut. Kartoffelbrei und Kleber will man hier trotzdem nicht haben. Alles weitere ist nach Angaben eines Sprechers der Wartburg-Stiftung Eisenach an Führungen durch die Räume gebunden. Jacken abgeben - das sei hier logistisch nicht möglich. Mit einem Rundschreiben und einer Schulung versuche die Stiftung daher, das Personal auf die besondere Lage aufmerksam zu machen. Die Wartburg sei aber dank des Einsatzes von Mensch und Video «vorher schon ziemlich sicher» gewesen.
«Organisatorisch ist alles Denkbare zur Verhinderung von Anschlägen in die Wege geleitet», teilte die Klassik Stiftung Weimar mit und zählte ebenso sensibilisiertes Aufsichts- und Servicepersonal wie auch Taschenkontrollen und Mantelabgaben auf. «Wir hoffen auf das Verständnis unseres Publikums», sagte ein Sprecher. «Angriffe auf Kunst» habe es bereits vor den Klima-Aktivisten gegeben. «Dennoch sehen wir derzeit ein erhöhtes Gefahrenrisiko durch Nachahmungstäter und appellieren an die Vernunft und das historische Bewusstsein der Aktivisten», sagte Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz.
Die Thüringer Staatskanzlei sah keine Notwendigkeit, diesbezüglich aktiv mit den Museen und Häusern in Kontakt zu treten. «Wir trauen den Museen zu, selbstständig damit umzugehen», sagte ein Sprecher. Der Thüringer Museumsverband kündigte Online-Schulungen für kleinere Häuser an. Die größeren Museen hätten bereits ein gutes Auge auf die Situation und Maßnahmen in der Mache.
Der Präsident des Thüringer Museumsverbands, Roland Krischke, bedauerte, dass «Menschen, die etwas für uns alle tun wollen», so in die Kritik gerieten. Das Engagement gegen den Klimawandel sei sinnvoll. Allerdings könne es nicht sein, dass das Kulturerbe aller, das ebenso wie der Planet durchaus gefährdet sei, dabei beschädigt werde. Das sei widersinnig, sagte Krischke, der auch der Direktor des Lindenau-Museums Altenburg ist.
Er sieht Kunstmuseen zu Unrecht im Visier der Aktivisten: «Wir nehmen großen Anteil und beschäftigen uns intensiv mit der Klimakrise», sagte Krischke. Somit seien die Häuser und ihre Gäste auch nicht die richtige Zielgruppe. «Kartoffelbrei-Berichte-Leser sind ja auch wieder nur die, die eh schon für den Klimaschutz sind.»
Aktionen wie die aktuellen zeigten vor allem, dass die Menschen verlernt hätten, einander zuzuhören und Anliegen gemeinsam auszuhandeln. Die Vermittlungsaufgabe wiederum könnten und sollten sich Museen als kulturelle Bildungsorte auf die Fahne schreiben. «Ich glaube, dass wir diese Aufgabe verstärkt wahrnehmen müssen.»
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