Thüringer Landesverfassung feiert Geburtstag: Mahnende Worte
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und mehrere Thüringer Politiker haben in Eisenach die Entstehung der Thüringer Landesverfassung vor 30 Jahren gewürdigt. Die Thüringer Verfassung habe sich als weitsichtig bewährt, sagte die SPD-Politikerin laut Redemanuskript am Mittwoch. «Eine kluge Verfassung allein schafft noch keine starke Demokratie», sagte sie. Es seien die Bürgerinnen und Bürger, die eine Verfassung mit Leben füllen und eine Demokratie tragen.
Bas machte darauf aufmerksam, dass die Deutschen weniger Vertrauen in die Demokratie und in Parteien hätten. Mehr als zwei Drittel der Thüringerinnen und Thüringer seien nach Werten des Thüringen Monitors der Meinung, dass sich die Politik in Berlin nicht ausreichend für ihre Region interessiert. «Diese Entfremdung schwächt unsere Demokratie», sagte Bas. Zugleich dürfe man nicht zulassen, dass etwa parlamentarische Debatten durch Populismus, Beleidigungen und Diffamierungen vergiftet würden. Die Demokratie dürfe nicht von innen heraus zersetzt werden, forderte sie.
Die Thüringer Landesverfassung wurde am 25. Oktober 1993 durch den Landtag beschlossen, endgültig in Kraft trat sie am 14. Oktober 1994 mit einem Volksentscheid. Landtag, Landesregierung und Verfassungsgerichtshof feierten den Geburtstag mit einem Festakt auf der Wartburg in Eisenach.
Landtagspräsidentin Birgit Pommer sagte, die Thüringer Verfassung betone das Gemeinsame und schütze die Freiheiten des Einzelnen. «Wie wenig selbstverständlich das ist, sehen wir gerade jetzt. Wo wieder Ängste geschürt und Zweifel beschworen werden, wo Freiheit missbraucht und das Trennende betont werden, muss sich die Verfassung bewähren», sagte die Linken-Politikerin laut Redemanuskript. Dabei sei Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten gefragt. «Für unsere Demokratie, die so hart erarbeitet wurde, sind diese Zeiten herausfordernd.»
Die Geschichte der Verfassung zeige, was passiere, «wenn Hass, Hetze, Ignoranz, Spaltung und Aggressivität auf fruchtbaren Boden fallen.» Deshalb sei es wichtig, genau zuzuhören, «dies alles mit dem nötigen Respekt voreinander und miteinander», sagte sie.
Eine erste Thüringer Verfassung hatte es bereits im Jahr 1921 gegeben. Allerdings wurden 1933 die Länder gleichgeschaltet und die Landtage aufgelöst.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erinnerte daran, dass das Land zur Zeit der Entstehung der Landesverfassung Anfang der 90er Jahre «ziemlich in Aufruhr» gewesen sei. Es habe Arbeitskämpfe und Massenentlassungen gegeben. «Jede Familie war betroffen. Jeder kannte das Thema Arbeitslosigkeit. Und trotzdem hat man die Verfassung als einen gemeinsamen Weg erkannt.» Er sei stolz in einem Verfassungsland zu leben. «Die Krisen von 1993 haben wir gemeinsam gemeistert.»
© dpa-infocom, dpa:231025-99-695152/5