Thüringen auf dem Weg zu eigenem NSU-Archiv
Thüringen will ein NSU-Archiv aufbauen, das Akten zu dem rechtsextremen Terror-Trio öffentlich macht. Die Initiative der rot-rot-grünen Minderheitskoalition wurde am Mittwoch im Landtag auch von der oppositionellen CDU-Fraktion unterstützt.
Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling betonte die besondere Thüringer Verantwortung, weil die Täter, die bis vor elf Jahren mordend durch Deutschland gezogen waren, aus Thüringen stammten. Zudem hätten Behörden auch aus Thüringen bei der Verfolgung der Terroristen versagt. «Wir sind den Familien der Opfer Antworten schuldig», sagte Henfling. Eine weitere Auswertung der Akten sei nötig.
Gegen einen Schlussstrich bei der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen sprach sich auch der CDU-Abgeordnete Jörg Kellner aus. Thüringen solle ein Archiv anlegen, damit die Akten zugänglich seien, sagte er. Dafür plädierte auch Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke).
Diskutiert wurde über den Sitz eines ebenfalls geplanten Bundesarchivs Rechtsterrorismus. Kellner plädierte für Berlin, einige Vertreter von Rot-Rot-Grün für einen Standort in Thüringen. Das Land werde sich bei dem Bundesarchiv einbringen, weil es ein großes Interesse daran habe, sagte Hoff. Das Bundesarchiv solle auch mit dem geplanten Thüringer Archiv vernetzt werden. Die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss äußerte, im Landesetat für 2024 müsse für das Thüringer Archiv ein Millionenbetrag eingeplant werden. «Wir fangen erst einmal an.»
Der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) mit seinen aus Thüringen stammenden Kernmitgliedern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Die Rechtsterroristen verübten außerdem zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten und etliche Banküberfälle.
Mundlos und Böhnhardt hatten sich Anfang November 2011 in Eisenach getötet, um der Festnahme zu entgehen. Zschäpe wurde als Mittäterin zu lebenslanger Haft verurteilt - auch wenn es nie einen Beweis dafür gab, dass sie selbst an einem der Tatorte war.
© dpa-infocom, dpa:221108-99-437064/3