Theater Altenburg Gera geht neue Weg mit transmedialem Stück
Ein neues Format am Theater Altenburg Gera führt serielles Erzählen und Videospiel-Elemente in einem besonderen Stück zusammen. Bei «√My Episode I: Willkommen in Mytopia» kann das Publikum auch via App den Handlungsverlauf mitbestimmen. Premiere ist am Freitag in Gera. «Es ist ein großes Experiment für uns», sagte Sophie Oldenstein, Chefdramaturgin am Theater. Sie hat das Stück maßgeblich mit entwickelt. «Die Grundidee ist, dass wir zeigen wollen: «Eure Stimme ist etwas wert».»
Die Überlegungen dazu seien vor dem Hintergrund der Thüringer Landtagswahl 2020 entstanden, als Thomas Kemmerich (FDP) mit Stimmen von AfD, CDU und FDP kurzzeitig zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt worden war. «Es ging viel um politischen Verdruss und es ergaben sich die Fragen: «Wie erreichen wir vor allem auch die jungen Leute in der Region und wie können wir ihnen Mut machen, sich zu mehr zu beteiligen?»», so Oldenstein. Eine Antwort war mehr Digitalität und ein serielles Format, bei dem das Publikum mitmachen kann.
«Der Lockdown in der Corona-Pandemie war dann der Motor für das Projekt, weil viele Aufgaben im Tagesgeschäft wegfielen und wir Zeit in das Projekt stecken konnten», sagte Oldenstein.
Inhaltliche Grundlage liefert der dystopische Roman «Wir» des russichen Autors Jewgeni Samjatin (1884-1937). Die Geschichte um einen fiktiven Zukunftsstaat, der versucht alles Individuelle zu unterdrücken, sei das erste Buch gewesen, das offiziell in der Sowjetunion verboten wurde, so Oldenstein.
Für das Stück sei entsprechend eine ganze Welt - «Mytopia» - entwickelt worden. «Sie ist sehr umfangreich, sehr technokratisch geprägt - es geht aber auch um Widerstand», sagte Oldenstein. In dieser Welt könne das Publikum über eine in den gängigen App-Stores kostenlos erhältliche App bereits vor dem eigentlichen Theaterbesuch eintauchen. «Man kann so Bürger von Mytopia werden.» Vor allem mit Blick auf die technischen Seiten des Stücks arbeitete das Theater mit der Akademie für Digitalität und Theater in Dortmund zusammen. «Dort wurden wir mit einem Entwicklerteam zusammengebracht.»
Über die App, aber auch ohne Handy während der Vorstellungen kann das Publikum sich für eine Seite entscheiden, den Fortgang der Handlung mitbestimmen und Punkte für die eigene Fraktion sammeln. Auch die Stadt werde dabei als Spielfläche der Handlung einbezogen. «Wenn sich die Leute darauf einlassen, dann endet das Theater für sie eben nicht nach dem Besuch, sondern das Stück begleitet sie im Alltag», sagte Oldenstein.
Digitale Projekte sind für viele Theater noch eine Art Experiment. Einen besonderen Schritt in die Digitalität hat etwa das Nürnberger Staatstheater geplant mit der Eröffnung einer neuen Spielstätte. Diese soll reale und virtuelle Theatererlebnisse miteinander verbinden.
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