Tausendfüßer und Dino-Schwimmspuren: Funde am Bromacker
Ein neues «Tambacher Liebespaar» war zwar nicht dabei - dennoch haben Wissenschaftler am Bromacker wieder erstaunliche steinerne Zeugnisse aus einer Zeit von vor 290 Millionen Jahren zutage gefördert. An der weltweit bedeutsamen Fossillagerstätte im Thüringer Wald bargen Forscher in den vergangenen vier Wochen rund 400 Funde, wie die Stiftung Schloss Friedenstein am Donnerstag zum Abschluss der diesjährigen Grabung mitteilte. Sie sollen dabei helfen, ein Ökosystem im Perm zu rekonstruieren.
Die Vielfalt und Qualität der Fundstücke hätten im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich zugenommen. «Die Bromacker-Fundstelle ist ein einzigartiger Schatz der Menschheit mit Millionen Jahre alten, frühen Landwirbeltieren», fasste Johannes Vogel, Generaldirektor am Museum für Naturkunde Berlin zusammen. Die Forschungen und Grabungen könnten noch Jahrzehnte fortgesetzt werden, ohne dass die Funde aufhörten. Das bislang berühmteste Fundstück am Bromacker ist das «Tambacher Liebespaar» - die nebeneinander liegenden Skelette zweier kleiner Saurier.
In diesem Jahr gruben die rund 40 Wissenschaftler und Studierenden den Angaben zufolge erstaunlich viele Funde von Gliederfüßern aus. Darunter seien die bislang am besten erhaltenen und größten Tausendfüßer vom Bromacker. Zudem wurden laut der Stiftung unter anderem zahlreiche neue Abdrücke von Insektenflügeln entdeckt, Schwimmspuren von Ursauriern sowie ein Skelett innerhalb eines fossilen Grabgangs. Auch Grabgangsysteme von Wirbeltieren, Knochen und Zähne von Ursauriern sowie mehrere Teilskelette wurden geborgen.
Dafür wurden an der Fundstelle zwischen Tambach-Dietharz und Georgenthal bei der diesjährigen Grabung rund 60 Kubikmeter Erde und Gestein bewegt. Am Ende trugen die Forscher 180 Kisten mit Fundstücken zusammen, wie die Stiftung Schloss Friedenstein weiter mitteilte. Noch bis in den September gebe es eine zusätzliche Tiefenbohrung, mit der sich die Forscher Einblicke in die Ablagerungsverhältnisse des Tambach-Beckens und Informationen zu Klima und Geologie der Region versprechen.
Zentral für die Forschung sei die Wiederentdeckung einer Sedimentschicht gewesen, die auch in früheren Jahren als Leithorizont für die geologischen Profile gedient habe, hieß es. Mit den so gewonnen Daten sei es möglich, deutlich mehr über die Veränderungen der Umwelt und der Ablagerungsbedingungen der damaligen Zeit zu erfahren.
«Das Besondere am Bromacker-Projekt ist die enorme Vielfalt und Multidisziplinarität der angewendeten Methoden, um diese einzigartige Fossilfundstelle und das gesamte Ökosystem mit modernsten Ansätzen von allen Seiten zu beleuchten», erklärte Projektleiter Jörg Fröbisch. Die Ursaurier und ihrer Umwelt würden in fünf Forschungsschwerpunkten und mit verschiedenen modernen Methoden untersucht - vom CT-Scan und der Rasterelektronenmikroskopie über Fotogrammetrie bis hin zur 3D-Modellierung.
Die Grabungen am Bromacker sind Teil eines interdisziplinären Forschungsprojektes, das noch bis 2025 läuft und die frühe Evolution der Landwirbeltiere untersucht. Dabei arbeiten das Berliner Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Unesco Global Geoparks Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen und die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha zusammen.
Die Grabungen wurden von Aktionstagen für Familien und öffentliche Führungen begleitet. Mehr als 1600 Menschen hätten den Bromacker im zweiten Jahr der Grabung besucht. Die Besucher konnten den Forschenden virtuell oder vor Ort über die Schulter schauen.
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