Die Schriftzug «Polizei» leuchtet auf dem Dach eines Streifenwagens der Polizei., © Carsten Rehder/dpa/Symbolbild
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Speere und Schusswaffen: Rechtsextreme «Artgemeinschaft»

27.09.2023

Im Zuge des Verbots des rechtsextremen Vereins «Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung» hat die Polizei in Thüringen mehrere Objekte durchsucht. Bei Durchsuchungen im Landkreis Gotha seien Waffen und Munition sichergestellt worden, teilte das Thüringer Innenministerium am Mittwoch in Erfurt mit. Darunter seien auch Schusswaffen gewesen, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.

Zudem wurde bei der Razzia in Probstzella (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) und in Ilfeld (Landkreis Nordhausen) unter anderem Speere, Wurfäxte, Symbole, Vortragsutensilien, Bücher und Speichermedien sichergestellt.

Der Schlag gegen die rechtsextreme Gruppierung erfolgte bundesweit - es gab Durchsuchungen von 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern der Vereinigung. Das Verbot gegen die Vereinigung, die sich häufig in einem Hotel in Thüringen traf, wurde nach Angaben des Bundesinnenministeriums seit mehr als einem Jahr vorbereitet. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen, hieß es.

Die Vereinigung richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Erst vor wenigen Tagen hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den rechtsextremen Verein «Hammerskins Deutschland» verboten.

«Innerhalb einer Woche ist das ein weiterer Schlag gegen die rechte Szene in Deutschland. Das zeigt, wie handlungsfähig der Rechtsstaat ist», sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) zum Schlag gegen die Artgemeinschaft. Die Gruppierung erfüllte bisher eine wichtige Scharnierfunktion zwischen den verschiedenen Strömungen der extremen Rechten, sagte Maier. Damit habe sie die freiheitlich demokratische Grundordnung «in besonderem Maße» gefährdet.

Faeser beschrieb «Die Artgemeinschaft» in einer Mitteilung als «sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung». Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl: «Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.»

Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Schätzungen des Ministeriums rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte «Gefährtschaften», «Gilden», «Freundeskreise» und ein Verein namens «Familienwerk».

Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen «Art», was mit dem nationalsozialistischen Begriff der «Rasse» gleichzusetzen sei.

Es lohne sich, Verbindungen der «Artgemeinschaft» zur rechtsextremen Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrunds» herauszuarbeiten, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Zudem soll der Rechtsextremist Stephan Ernst, der 2019 den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen hatte, der nun verbotenen Vereinigung zeitweilig angehört haben.

Auf diese Verbindungen machte auch die Thüringer Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss aufmerksam. «In Thüringen gab es nicht nur über Jahre hinweg die Treffen der Artgemeinschaft. Hier leben mehrere Mitglieder und Anhänger der völkisch-neonazistischen Vereinigung, die auch als eine Art Vernetzungsstruktur der rechten und extrem rechten Szene fungierte», sagte sie laut einer Mitteilung. Das Verbot komme spät, sei aber «ein richtiger und notwendiger Schritt».

© dpa-infocom, dpa:230927-99-353755/2

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