Schwund bei Apotheken in Thüringen: Proteste am Mittwoch
Fachleute haben vor weiteren Schließungen von Apotheken in Thüringen aus wirtschaftlichen Gründen und wegen fehlenden Nachwuchses gewarnt. Ihre Zahl sei seit 2010 von 583 auf derzeit etwa 500 gesunken. Gleichzeitig sei die Zahl der Patienten durch eine alternde Bevölkerung gestiegen, sagten Vertreter des Thüringer Apothekerverbandes und der Landesapothekerkammer am Dienstag in Erfurt. Grund für die Schließungen und die schwierige Nachwuchsgewinnung sei eine unzureichende finanzielle Vergütung der Arbeit von Apothekern.
Auf die Probleme wollen viele Apotheken in Thüringen an diesem Mittwoch mit der Beteiligung an einem bundesweiten Protesttag hinweisen. Sie blieben geschlossen, eine Notversorgung sei jedoch gesichert. «80 bis 90 Prozent der Apotheken machen mit. Das ist schon ein Ausrufezeichen», sagte der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes, Stefan Fink. Er sprach von einem Apothekensterben, das gestoppt werden müsse, um die Versorgung der Bevölkerung auch in Zukunft flächendeckend zu sichern.
Derzeit würden 4000 bis 4100 Einwohner pro Apotheke versorgt. Thüringen liege mit dieser Quote im deutschen Durchschnitt. Gleichzeitig seien knapp zwei Drittel der Kunden über 60 Jahre alt und auf eine stabile Medikamentenversorgung angewiesen.
Die Organisationen der Apotheker setzen sich mit dem bundesweiten Aktionstag unter anderem für eine Honoraranhebung ein. Die Apothekenvergütung sei in den vergangenen zehn Jahren um 18,8 Prozent gestiegen, die Tariflöhne der Beschäftigten jedoch um 52 Prozent. Hinzu kämen die Folgen der Inflation, sagte Fink. «Die Politik muss deutlich bei der Vergütung nachbessern.»
Fink und der Präsident der Apothekerkammer, Ronald Schreiber, verwiesen auf einen Mehraufwand der Apotheken durch weiterhin bestehende Lieferengpässe bei einer Reihe von Medikamenten. Dabei gehe es unter anderem um die Beratung der Kunden und die Beschaffung von Ersatz. Es seien Anreize für die Pharmaindustrie nötig, wieder mehr Medikamente in Deutschland und Europa zu produzieren, verlangten sie.
Pharmazie kann in Thüringen nur an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert werden. Nach Ansicht der Apothekervertreter müsste angesichts des Bedarfs die Zahl der Studienplätze aufgestockt werden. Im vergangenen Jahr hätten 75 Frauen und Männer ein Studium aufgenommen. «Jede zweite Apotheke würde sofort Personal einstellen», sagte Fink.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat der Forderung nach höheren Honoraren bereits vor dem Protesttag eine Absage erteilt. Er habe natürlich Verständnis dafür, dass die Apotheken auf ihre Honorarwünsche und auf andere Probleme hinwiesen, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er sehe für Honorarerhöhungen aber keinen Spielraum, fügte er mit Verweis auf die Finanzsituation der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hinzu. Diese erwarte ein Defizit und es stehe eine Erhöhung der Beitragssätze bevor.
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