Schweigen zur Rechtmäßigkeit der frühen Corona-Verordnungen
Das Bundesverfassungsgericht äußert sich bis auf Weiteres nicht zu der Frage, ob die weitreichenden Corona-Maßnahmen in der Anfangszeit der Pandemie eine ausreichende gesetzliche Grundlage hatten. Die Verfassungsrichter in Thüringen hatten dazu eine Entscheidung aus Karlsruhe angefragt. Diese Vorlage erklärte der zuständige Erste Senat allerdings für unzulässig, wie das Karlsruher Gericht am Donnerstag mitteilte. (Az. 1 BvN 1/21)
In den ersten Monaten der Pandemie hatte es im Infektionsschutzgesetz nur den allgemeinen Paragrafen 28 zu Schutzmaßnahmen gegeben, die auch schon vor Corona möglich waren. Erst im November 2020 war das Gesetz um spezielle Regelungen dafür ergänzt worden (§ 28a).
Damals war heftig diskutiert worden, ob das für derart tiefgreifende Grundrechtseingriffe wie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen ausreichend ist. Denn grundsätzlich ist es erforderlich, dass wesentliche Fragen des Gemeinwesens durch den unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber entschieden werden. Juristen sprechen von Parlamentsvorbehalt. Die Corona-Verordnungen mit den einzelnen Maßnahmen wurden von den Landesregierungen erlassen.
Am Thüringer Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren anhängig, in dem diese Frage eine Rolle spielt. Die AfD-Landtagsfraktion klagt gegen eine Corona-Landesverordnung vom 31. Oktober 2020, die sie für verfassungswidrig und nichtig hält. Die Weimarer Richter meinen, dass als Grundlage dafür Paragraf 28 gerade noch ausreichend war.
Sie hatten allerdings den Eindruck, dass sie in der Frage anderer Auffassung sind als die Verfassungsrichter in Sachsen-Anhalt und deshalb eine klärende Entscheidung aus Karlsruhe benötigen. Denn im Grundgesetz steht in Artikel 100: «Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.»
Die Weimarer Richter wollten unter anderem wissen, ob man nach einem halben Jahr Pandemie immer noch von einem Übergangszeitraum sprechen kann. Das Bundesverfassungsgericht äußert sich dazu und zu den anderen Fragen allerdings nicht. Zum Teil wird das damit begründet, dass gar kein Widerspruch zur Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt vorliege. Zum anderen Teil damit, dass es nicht um einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz, sondern nur eine Einzelfrage gehe.
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