Schulen beklagen Abrechnungspraxis und legen Gutachten vor
Die Schulen in freier Trägerschaft in Thüringen werden nach Auffassung einer Gutachterin durch das Land derzeit finanziell benachteiligt. Dass das Bildungsministerium für das Jahr 2021 die Anerkennung unter anderem bestimmter Verwaltungskosten der Schulträger als nicht-erstattungsfähig ablehne, sei schon am aktuellen Gesetzestext gemessen rechtswidrig, erklärte die Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf am Dienstag in Erfurt. Darüber hinaus verstoße das Thüringer Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft ihrer Ansicht nach gegen Verfassungsrecht.
Brosius-Gersdorf hat den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Potsdam inne. Das Bildungsministerium weist die Vorwürfe zurück. Das Gutachten war von der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Schulträger in Thüringen beauftragt worden.
Nach Angaben der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft, Marco Eberl und Martin Fahnroth, hat das Bildungsministerium im Sommer begonnen, bei der Abrechnung der staatlichen Zuschüsse für die freien Schulträger aus dem vergangenen Jahr neben bestimmten Verwaltungskosten auch einige Abschreibungskosten nicht mehr als zuschussfähig anzuerkennen. Diese Praxis müsse wieder geändert werden, forderten sie. Nach Schätzungen der Landesarbeitsgemeinschaft geht es dabei für die Schulträger um eine Summe von insgesamt etwa 13 Millionen Euro.
Eberl sagte, die Landesarbeitsgemeinschaft sei im Juni durch ein Gespräch im Bildungsministerium darüber informiert worden, dass beispielsweise Kosten zur Personalverwaltung oder zur Bewirtschaftung von Liegenschaften für 2021 nicht mehr als zuschussfähig anerkannt würden. Anschließend habe Bildungsminister Helmut Holter (Linke) zwar zugesagt, diese Praxis wieder zu ändern. «Das hat genau zwei Wochen gehalten», sagte Eberl. Dann habe sich Holter korrigieren müssen und das Bildungsministerium habe die auch derzeit angewandte Abrechnungspraxis fortgeführt.
Auch aus dem Thüringer Landtag kam Kritik am Bildungsministerium. Sie sei jedenfalls «nicht glücklich» darüber, wie das Ministerium derzeit mit den Verwendungsnachweisen der Schulen für die 2021er-Zuschüsse umgehe, sagte etwa die Grüne-Bildungspolitikerin Astrid Rothe-Beinlich.
Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sagte, die freien Schulen hätten einen Bildungsminister wie Holter nicht verdient. «Mit rechtswidrigen Kürzungen wurden die freien Schulträger 2021 über den Tisch gezogen.»
Ein Sprecher des Bildungsministeriums dagegen erklärte, es sei «auch vor 2021 Standpunkt der Landesregierung gewesen», dass bestimmte Verwaltungskosten der freien Träger nicht erstattungsfähig seien. Seinerzeit sei jedoch vermehrt aufgefallen, dass es manche Träger gebe, die solche Kosten geltend machten. «Als die rechtswidrige Praxis einiger Träger aufgefallen ist, sind diese sofort auf die grundsätzliche Nichtakzeptanz aufmerksam gemacht worden.»
Zwar könne das Ministerium das Gutachten noch nicht abschließend beurteilen. Aber: «Nach erster Prüfung handelt es sich um ein Gutachten, das die Regelungen des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft einseitig und aus unserer Sicht unzutreffend interpretiert.»
Für grundsätzlich verfassungswidrig hält Brosius-Gersdorf es, dass nach ihrer Lesart für die Träger der Bildungseinrichtungen kein ausdrücklicher Rechtsanspruch im Gesetz darauf besteht, Verwaltungskosten etwa für die Gewinnung von neuen Lehrern durch das Land refinanziert zu bekommen.
Damit verstoße der Gesetzestext gegen das grundgesetzlich garantierte Recht der freien Schulen, zumindest grundsätzlich die gleichen Kosten erstattet zu bekommen, die auch an den staatlichen Schulen anfallen. Allerdings räumte sie auch ein, dass der derzeit bestehende Gesetzestext auch so gelesen werden könne, dass diese Kosten erstattungsfähig seien. Im Sinne der Klarheit des Gesetzes sei dessen Änderung dennoch geboten.
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