Schulden aufnehmen? - Neuer Aspekt in der Haushaltsdebatte
  • Nachrichten

Schulden aufnehmen? - Neuer Aspekt in der Haushaltsdebatte

21.11.2023

Für ein Aussetzen der Schuldenbremse plädiert nach Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier nun auch die Vorsitzende der Grünen, Ann-Sophie Bohm. Die Schuldenbremse müsse fallen, sagte sie am Dienstag in Erfurt. Im Gegensatz zu Maier bezog Bohm ihre Forderung nicht nur auf den Bund, sondern auch auf das Land, das Schulden aufnehmen müsse: «Die Schuldenbremse kann nicht länger die Richtschnur einer nachhaltigen Finanzpolitik sein, auch nicht in Thüringen.» Die FDP verlangte einen Stopp der Haushaltsverhandlungen für 2024; Ausgaben seien kritisch zu überprüfen.

Argumente gegen Schuldenbremse

Es gebe einen hohen staatlichen Investitionsbedarf vor allem zur Unterstützung der Wirtschaft bei der Energiewende, begründet Bohm ihre Haltung. «Denn nichts belastet künftige Generationen mehr, als Nichtstun.» Jede Verschleppung von Zukunftsinvestitionen gefährde Lebensgrundlagen und den Wirtschaftsstandort Thüringen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mache klar, dass Investitionen über Sondervermögen in Zukunft nicht mehr möglich seien, erklärte die Grünen-Chefin. «Daher wird es unumgänglich sein, dass das Land neue Schulden aufnimmt, um diese Zukunftsinvestitionen aus dem laufenden Haushalt zu tätigen.»

Diskussion über Thüringer Sondervermögen

Die Landesregierung rechnet zunächst nicht mit Auswirkungen auf das Sondervermögen für Hilfen in der Corona- und Energiekrise im Freistaat. Nach einer ersten Prüfung dürfte es von dem Urteil nicht berührt sein, sagte Thüringens Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) nach einer Kabinettssitzung in Erfurt. «Unabhängig davon diskutiert die Koalition im Zusammenhang mit den Beratungen über den Haushalt 2024 mit der Opposition auch über die Frage, wie mit dem Sondervermögen des Landes künftig zu verfahren sein wird.»

Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nach dem Urteil sperrte das Bundesfinanzministerium zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. Hoff sagte, Thüringen sei davon überall dort betroffen, wo es um Förderungen für Ostdeutschland und Thüringen gehe. «Das betrifft beispielsweise Themenfelder der Energie- und Wirtschaftskrisenbearbeitung», sagte Hoff.

FDP für Prüfpause beim Haushalt

FDP-Gruppensprecher Thomas Kemmerich verlangte, dass die Thüringer Ministerien ihre Ausgaben kritisch überprüfen. Die Haushaltsberatungen für 2024 im Thüringer Landtag sollten vorerst gestoppt werden. «Zunächst muss detailliert geklärt werden, welche Konsequenzen sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Haushaltsaufstellung im Freistaat ergeben», äußerte Kemmerich.

Nötig seien Prioritäten in der Ausgabenpolitik, insbesondere für Bildung und Infrastruktur, Digitalisierung und Bürokratieabbau, sagte Kemmerich. Der umstrittene Etatentwurf von Rot-Rot-Grün mit einem Volumen von 13,8 Milliarden Euro liegt seit Wochen im Landtag.

SPD-Chef warnt vor massiven Kürzungen

Thüringens SPD-Chef und Innenminister Maier hatte am Montag Vorschläge unterstützt, ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen einer Notlage zu prüfen. «In Krisen zu sparen halte ich grundsätzlich für falsch. Das verschärft die Krise nur», sagte Maier. Er unterstütze den Vorschlag der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken, die Schuldenbremse für dieses und das kommende Jahr wegen einer fortdauernden, krisenhaften Situation auszusetzen.

Mit Blick auf Thüringen, wo die rot-rot-grüne Koalition keine eigene Mehrheit hat, sagte Maier, es obliege dem Parlament in der jetzigen Situation richtige Entscheidungen zu treffen. «Es geht darum, Geld sinnvoll zu investieren.» Vor massiven Kürzungen im Haushalt könne er nur warnen.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen sind.

© dpa-infocom, dpa:231121-99-28385/3

Teilen: