Eine Statue der Justitia steht unter freiem Himmel., © Arne Dedert/dpa/Symbolbild
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Rechte wollten Journalisten «zur Strecke» bringen

02.09.2022

Im Prozess um einen mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Angriff auf zwei Journalisten in der Nordthüringer Region Fretterode hat die Nebenklage die Polizeiarbeit gerügt. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mühlhausen sei nicht wegen der Ermittlungsarbeit der örtlichen Polizei, sondern trotz deren Ermittlungen möglich geworden, sagte der Nebenklage-Anwalt am Freitag in seinem Plädoyer. Bei der Polizei in der Region habe es ein «System- und Strukturversagen» gegeben. Erst als das Thüringer Landeskriminalamt die Ermittlungen übernahm, habe sich die Situation verbessert.

Bei dem Übergriff im April 2018 in der Region Fretterode in Nordthüringen waren zwei Journalisten aus Göttingen schwer verletzt worden. Beide treten in dem Prozess als Nebenkläger auf.

Die beiden Angeklagten - heute 23 und 28 Jahre alt - hatten zu Beginn des Prozesses erklärt, es sei zwar richtig, dass es eine körperliche Auseinandersetzung zwischen ihnen und den Journalisten gegeben habe. Allerdings hätten sie dabei in einer Art Notwehr gehandelt. Beide Angeklagte werden der rechten Szene zugeordnet.

Als Beispiel für Fehler der Polizei nannte der Nebenklage-Anwalt, Beamte hätten zugeschaut, als mehrere Personen unmittelbar nach der Tat Gegenstände aus und in das Auto der Angeklagten räumten. Außerdem ließe sich bis heute nicht eindeutig rekonstruieren, wo genau Nordthüringer Polizisten nach der entwendeten Kamera der beiden Journalisten gesucht hätten. Die Kamera sei noch immer verschwunden.

Die Nebenklage sprach von einem massiven Übergriff auf Pressevertreter, der als schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung zu bestrafen sei. Dabei hätten die Angeklagten aus politischen Motiven gehandelt. Sie seien gegen Journalisten vorgegangen, die in der rechten Szene als Feinde gesehen würden. «An diesem Tag sollten die Nebenkläger um jeden Preis zur Strecke gebracht werden», sagte einer der Anwälte. Eine konkrete Strafforderung machten sie nicht.

Ende August hatte bereits die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer gehalten. Für den jüngeren der beiden Angeklagten forderte sie eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Für den älteren Angeklagten plädierte sie auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Eine so hohe Strafe könnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

Auch die Staatsanwaltschaft sah ein rechtsextremes Tatmotiv. «Es war kein gewöhnlicher Raubüberfall, sondern ein politisch motivierter Raubüberfall», hatte der Staatsanwalt gesagt.

Ein Urteil könnte Mitte September fallen.

© dpa-infocom, dpa:220901-99-596907/5

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