Rechnungshof fordert vom Land strikte Ausgabendisziplin
Der Thüringer Rechnungshof hat angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage und des Ukraine-Kriegs die Landesregierung vor überzogenen Ausgabewünschen gewarnt. Der Freistaat müsse 2023 eine größere Ausgabendiszipin zeigen als bisher, sagte die neue Präsidentin des Thüringer Rechnungshofs, Kirsten Butzke, die am Montag in Rudolstadt erstmals den Jahresbericht der Behörde vorlegte. Die Schuldenbremse sei ernst zu nehmen und Ausnahmesituationen dürften nicht als Einfallstor für sonstige Ausgabewünsche missbraucht werden.
Bereits vor der Pandemie überstiegen bei der Aufstellung des Landesetats die geplanten Ausgaben die erwarteten Einnahmen. Die Lücke konnte nur durch einen Griff in die allgemeine Rücklage geschlossen werden. Die Mittel der Rücklage dienten aber der Vorsorge für besondere Situationen, sagte Butzke. Die Ausgabenwünsche seien daher auf das Notwendigste zu begrenzen und müssten sich an den zur Verfügung stehenden Einnahmen orientieren.
Zugleich mahnte sie zur Vorsicht bei den während der Mai-Steuerschätzung prognostizierten Mehreinnahmen in Höhe von 474 Millionen Euro für das laufende Jahr. Das sei eine Momentaufnahme in Zeiten größter Unsicherheit mit steigender Inflation und Zinsen. «Man sollte das Fell nicht verkaufen, bevor der Bär erlegt wird.»
Kritik übte die neue Präsidentin auch an der globalen Haushaltskürzung von 330 Millionen Euro, die mit dem Etat 2022 auf Drängen vor allem der oppositionellen CDU-Fraktion beschlossen worden war. Diese sogenannte globale Minderausgabe soll nicht vom Landtag, sondern von der Regierung umgesetzt werden. Damit hätten die Abgeordneten ihr «Königsrecht» zur Gestaltung des Haushalts auf die Verwaltung übertragen. «Für uns ist auch noch offen, wie sie erbracht werden kann», sagte Butzke und verwies darauf, dass zur Deckung keine Mehreinnahmen verwendet werden dürften.
Die Linke-Landtagsfraktion kritisierte, das Dogma eines Verschuldungsverbots für öffentliche Haushalte sei weder sozial gerecht noch wirtschaftlich sinnvoll. Die CDU-Fraktion erklärte hingegen, Thüringen brauche einen realistischen Haushalt und keine Luftschlösser. Nach Ansicht der AfD-Fraktion bestätigt der Bericht, dass Rot-Rot-Grün Steuergeld verschwendet und falsche Prioritäten setzt. Die FDP-Gruppe sprach von einem Armutszeugnis für die Regierung.
Die Finanzprüfer rügten, dass Gelder veranschlagt werden, die dann ungenutzt in der Kasse blieben. Förderprogramme, die über mehrere Jahre hintereinander nicht im geplanten Umfang in Anspruch genommen werden, gehörten auf den Prüfstand. Butzke nannte als Beispiel 2021 nicht abgerufene Landesgelder aus dem Digitalpakt Schule in Höhe von 28,8 Millionen Euro. Von den 2021 zur Verfügung gestellten 17 Millionen Euro für die Forschungs- und Entwicklungsförderung seien 16,8 Millionen Euro nicht abgerufen worden und bei der Förderung von Elektromobilität blieben von 7,7 Millionen Euro rund 7 Millionen Euro liegen.
Außerdem empfahlen die obersten Finanzprüfer im Kampf gegen den Lehrermangel einen späteren Vorruhestand für Beamte. Die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestands mit 62 Jahren werde derzeit von zwei Dritteln aller verbeamteten Lehrkräfte genutzt, sagte Butzke. Die Situation spitze sich mit dem hohen Altersdurchschnitt der Lehrer weiter zu. Von den 14 400 Lehrkräften in Thüringen sei jeder Fünfte älter als 60 Jahre.
Gingen die potenziell berechtigen Lehrkräfte erst ein Jahr später - also mit 63 Jahren - in den Vorruhestand, könnten im nächsten Jahr rund drei Viertel der 240 voraussichtlich nicht zu besetzenden Stellen ausgeglichen werden. Das Land hatte vor zehn Jahren die Altersgrenze für den Vorruhestand auf 62 Jahre gesenkt. Im Bund und in den meisten anderen Bundesländern ist das erst mit 63 Jahren möglich.
Die Anhebung der Altersgrenze könne dadurch geschehen, dass Anträgen auf Vorruhestand aus dienstlichen Gründen erst später stattgegeben werde, empfahl der Rechnungshof. Aufgrund der demografischen Entwicklung solle die Anhebung der Altersgrenze für den Vorruhestand für alle Beamtengruppen geprüft werden, so die Empfehlung.
In ihrem Jahresbericht prangern die obersten Finanzprüfer Verschwendungen in Höhe von rund 30 Millionen Euro an. Dazu gehört unter anderem den Angaben zufolge der Einbau einer nicht notwendigen Brandbekämpfungsanlage im Jagdbergtunnel an der A4. Dies habe zu Mehrausgaben von rund 17,3 Millionen Euro geführt. Kritik übte der Rechnungshof an dem «Planungs- und Baufiasko» bei der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschule in Bad Köstritz.
© dpa-infocom, dpa:220710-99-976319/5