Ramelow zuversichtlich, CDU sieht Misstrauen in Regierung
Angesichts gesunkener Werte zur Zufriedenheit mit der Praxis der Demokratie haben sich mehrere Abgeordnete im Thüringer Landtag besorgt gezeigt. Dass nur etwa 48 Prozent mit der Demokratie zufrieden seien, fordere zum Nachdenken und zum Handeln auf, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Landtag. «Ich bin trotz aller Sorge zuversichtlich, dass wir mit guter Politik der Regierungskoalition und der Opposition Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Freistaat zurückgewinnen können.»
Oppositionsführer Mario Voigt (CDU) sprach dagegen von einer «massiven Vertrauenskrise» für die Landesregierung.
Anlass der Regierungserklärung war die Veröffentlichung des Thüringen Monitors, einer jährlich durchgeführten Studie zur politischen Kultur im Freistaat. Sie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass weniger Menschen mit der Praxis der Demokratie zufrieden sind und staatlichen Institutionen vertrauen. Demnach ist in Thüringen eine knappe Mehrheit der Bevölkerung mit der Demokratie unzufrieden.
Der Studie zufolge sank das Vertrauen in die Landesregierung von 53 Prozent im Vorjahr auf 39 Prozent. Eine Mehrheit vertraue der Landesregierung damit nicht. «Der Vertrauenswert von 39 Prozent liegt damit ungefähr auf Höhe des Durchschnitts der letzten zehn Jahre (40 Prozent)», heißt es in der Studie.
Die Politikwissenschaftlerin Marion Reiser hatte bei der Vorstellung der Studie zudem eingeordnet, dass es in den vergangenen Jahren Rekordwerte bei der Demokratiezufriedenheit gegeben hatte. Gerade während der Corona-Pandemie, einer Krisenzeit, hätten sich die Bürgerinnen und Bürger hinter ihre Regierungen gestellt. Ramelow verwies in seiner Regierungserklärung auch auf Besonderheiten des Befragungszeitraums im vergangenen Jahr. Damals habe man die höchsten Inflationswerte seit Jahrzehnten gehabt, Diskussionen um Energieknappheit, Blackouts, Gasmangel und Klimakrise. «Viele Thüringerinnen und Thüringer waren in Sorge», sagte Ramelow.
Voigt bezeichnete die Ergebnisse als einen «Misstrauensantrag» der Bevölkerung gegen die Politik von Rot-Rot-Grün. «Wenn Thüringen noch die Kurve bekommen soll, dann muss sich etwas ändern», sagte Voigt. Er erinnerte an die Regierungszeit von Bernhard Vogel (CDU). Damals sei Thüringen im Osten ein «Leuchtturm» gewesen. Dort müsse man wieder hin. «Wir sind vom Vorbild zur roten Laterne geworden.»
Regierungschef Ramelow zeichnete dagegen ein anderes Bild: Thüringen sei zu einem «Chancenland» geworden. Das gelte für jüngere und ältere Beschäftigte gleichermaßen. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien keine «sogenannte Problemgruppe mehr am Arbeitsmarkt, sondern ein Erfolgsfaktor».
Ramelow sagte, Ziel für die Zukunft sei es, dass Thüringen das familienfreundlichste Bundesland wird. Außerdem appellierte er, Einwanderung auch als Chance zu begreifen. «Thüringen ist ein Einwanderungsland», sagte er. In den Freistaat kämen Menschen, die ihr Grundrecht auf Asyl in Anspruch nehmen und Menschen, die sich aus anderen Gründen dazu entschieden hätten, zuzuwandern. «Das stellt uns vor Herausforderungen und eröffnet uns zugleich große Chancen.» Gewerkschaften und Arbeitgeber hätten das bereits erkannt.
Voigts Ansicht nach laufe bei der Migrationspolitik in Thüringen «vieles nicht rund». «Wir müssen klar sein in den Grenzen zwischen Asyl und Fachkräfteeinwanderung.» Zugleich betonte er, Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, verdienten «unseren Schutz». Er warnte aber davor, den Eindruck zu erwecken, dass jeder, der es nach Thüringen schaffe, auch dauerhaft bleiben könne.
AfD-Fraktionschef Björn Höcke kritisierte den Thüringen Monitor. Linksextremismus sei ein blinder Fleck in der Studie. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuft und beobachtet.
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