Deutschlands Jamal Musiala (l) und Rocco Reitz in Aktion während des Trainings., © Federico Gambarini/dpa
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Präsidenten-Besuch, Bier-Ansage: Politiker drücken EM-Daumen

29.05.2024

Frank-Walter Steinmeier stieg aus seiner Limousine und nahm Rudi Völler und DFB-Chef Bernd Neuendorf freundlich in den Arm. Dann führte das Führungsduo des Deutschen Fußball-Bundes den Bundespräsidenten durch das Teamhotel der Fußball-Nationalmannschaft. Mit dem rund einstündigen Besuch des Staatsoberhauptes im Trainingslager hat die Vorbereitung auf die Heim-EM ihren protokollarischen Höhepunkt erreicht - da ruhte am Mittwoch auch mal kurz die Fixierung auf den sportlichen Fortschritt im beschaulichen Golf-Resort in den frühlingsgrünen Thüringer Hügeln.

«Große Fußballturniere lassen die Herzen immer höher schlagen, meines auch, besonders im eigenen Land», sagte Steinmeier nach dem Zusammentreffen mit der DFB-Auswahl um Kapitän Ilkay Gündogan und Torwart Manuel Neuer. «Mein Eindruck ist, der Ehrgeiz ist riesengroß. Ich drücke mit so vielen Deutschen fest die Daumen, dass der Traum der Spieler, Europameister zu werden, in Erfüllung geht», sagte Steinmeier.

DFB-Chef Neuendorf betonte, man sei «sehr dankbar, dass der Bundespräsident bei uns war». Man habe sich für den 14. Juli in Berlin verabredet. Dann findet im Olympiastadion das EM-Finale statt. «Der Bundespräsident wird ein bisschen mit uns sprechen und uns einstimmen», hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann schon vor der Ankunft erzählt. Nationalspieler Deniz Undav sprach von «viel Respekt» für den großen Gast.

Zwischen einem Grillabend mit den Familien und einem für Donnerstag geplanten Vortrag einer SEK-Einheit zum Teamwork in Krisenlagen wurde der Mittwoch zum Tag der großen Politik im Beiprogramm. Noch bevor Steinmeier mit seiner Eskorte ankam, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem Podcast-Beitrag auch recht privat über seine EM-Hoffnungen geplaudert.

«Ich habe mir auch vorgenommen, möglichst viele Spiele zu sehen. Ich jedenfalls bin voller Bewunderung für das, was die Jungs können, und freue mich, das gucken zu können - übrigens auch mit Bratwurst und Bier im Garten», sagte Scholz bei «Spielmacher - der EM-Podcast von 360Media mit Sebastian Hellmann».

Wichtige Sommerwochen für Deutschland

Wie Staatsoberhaupt Steinmeier weiß auch der Kanzler, dass diese Sommerwochen die Stimmung im Land beeinflussen werden, abhängig auch von Auftritt und Abschneiden der Nagelsmann-Elf. «Ich wünsche mir eine große Begeisterung in Deutschland, aber auch in der Welt, für diese Europameisterschaft. Und ich wünsche natürlich, dass unser Team von dieser Begeisterung getragen wird und viele Erfolge hat, so dass es bis zum Ende geht», sagte Scholz.

Nagelsmann wird diese Worte gerne vernehmen. Er ist ohnehin ein Mensch, der gerne über Politik spricht, sich für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen interessiert. Aber jetzt zählt für den Bundestrainer nur der Fußball. Und da gab es für den 36-Jährigen positive Neuigkeiten. Neuer hat seinen Magen-Darm-Infekt überwunden, ist in Blankenhain angekommen und wurde zumindest schon radelnd auf dem Ergometer im Fitnesszelt am Trainingsplatz gesichtet. Das Comeback nach eineinhalb Jahren im DFB-Tor am Montag im EM-Test gegen die Ukraine bahnt sich an.

Auf dem Rasen konnten Neuers zuletzt angeschlagene Münchner Kollegen Leroy Sané, Jamal Musiala und Aleksandar Pavlovic wieder mitwirken. Nagelsmann sprach lange mit Sané, den eine Schambeinproblematik ausgebremst hatte.

Kapitän und Meister kommen

Weitere Kader-News: Kapitän Gündogan ist wie vereinbart angereist und besonders die für den Abend avisierte Ankunft der drei gut gelaunten Leverkusener Double-Sieger Florian Wirtz, Robert Andrich und Jonathan Tah lässt die EM-Gruppe weiter wachsen. «Wir ziehen schon richtig an. Jeder ist bereit. Da geht es schon richtig zur Sache», sagte Undav. Zur Sicherheit werden die U21-Nationalspieler Brajan Gruda und Rocco Reitz aber bis zum 7. Juni bei der A-Auswahl bleiben. Sie haben einen guten Eindruck hinterlassen.

Steinmeiers Visite und Scholz' Worte sind eine wichtige Botschaft über die sportliche Präparation hinaus. Zumal die Unterstützung der deutschen Politik bei den EM-Organisatoren lange als unzureichend bemängelt wurde. Zu gering seien Tempo und Intensität bei der Kooperation, sickerte es immer wieder aus dem Stab um Turnierchef Philipp Lahm nach außen. Der Bund habe «bisher noch keine spürbare Vision für das Turnier entwickelt», hieß es vom EM-OK im vergangenen Herbst. Zuständigkeitsgeschacher zwischen Bundes- und Landesregierungen wurde ungewöhnlich offen kritisiert.

Lahm, Weltmeister-Kapitän von 2014, hatte zuletzt die EM sehr wortstark als «Zeitenwende im deutschen Fußball. Und in der Gesellschaft», bezeichnet, angelehnt an die Scholz-Worte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Das Erbe des unbeschwerten Sommermärchens 2006 sorgt auch für Druck. Damals gab es im Vorlauf keine Pandemie, keinen Krieg in der Ukraine und kein so ausgeprägtes Gefühl der gesellschaftlichen Spaltung.

Kanzler: Sicherheit als Topthema

Beim EM-Topthema Sicherheit versprach Scholz die größtmöglichen Vorkehrungen. «Es sind auch alle möglichen, schwierigen Lagen alle geprüft und getestet worden, so dass wir natürlich nicht sagen können, es kann gar nichts passieren, das ist in der sehr schwierigen, gefährlichen Weltlage in der wir uns gegenwärtig befinden, gar nicht möglich, aber man kann sagen, wir haben alles dafür getan, das irgendwie sinnvoll ist, um die Sicherheit so groß wie möglich zu machen», betonte der deutsche Regierungschef.

Bei der sportlichen Bewertung wollte sich Scholz hingegen auf keinen Fall als «Oberexperte» aufspielen. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Angela Merkel, die 2014 im roten Blazer im Maracanã den WM-Sieg bejubelte und enge, fast schon freundschaftliche Bande zum damaligen Bundestrainer Joachim Löw und auch Bayern-Profi Bastian Schweinsteiger pflegte, fremdelt Scholz mit dem Fußball - und macht daraus auch kein Geheimnis. Im Sportunterricht habe er zudem als Schüler einst eine 4 im Zeugnis gehabt.

Der EM-Rat des Kanzlers ist also eher emotionaler Natur. «Am besten geht man als Team da rein und konzentriert sich aufs Spiel - und dass man überhaupt nicht nachdenkt über das, was alle anderen denken. Das ist wahrscheinlich der wichtigste Rat», sagte Scholz. Der Bundespräsident konnte gleich nach seinem Besuch in Blankenhain zudem noch religiösen Beistand einholen. Als nächsten Termin nach dem DFB-Besuch ging es für ihn weiter zur Eröffnung des Katholikentages in Erfurt. Ein bisschen Unterstützung von oben könne nicht schaden, gab Neuendorf ihm mit auf den Weg.

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