Pfadfinder wollen in Thüringen durchstarten
In Thüringen soll die Zahl der aktiven Mitglieder bei den Pfadfindern in den kommenden Jahren deutlich steigen. «Wir sind überzeugt, dass es in Thüringen ein sehr großes Potenzial gibt», erklärte Dorothea Schümann vom «Ring Deutscher Pfadfinder*innen-verbände in Thüringen» (RDP), einem Zusammenschluss der drei Pfadfinderverbände im Freistaat. Aktuell gebe es etwa 460 aktive Mitglieder. Ziel sei es, diese Zahl in den kommenden drei bis fünf Jahren zu verdoppeln.
Dabei sei es in der Regel kein Problem, Kinder und Jugendliche für die Pfadfinder-Arbeit zu begeistern: «Gerade bei den Grundschulkindern sind die Anmeldelisten meist sehr schnell sehr voll», sagte Schümann. Die große Herausforderung liege darin, erwachsene Freiwillige als ehrenamtliche Projektleiter zu finden. Nötig sei nicht nur eine bis zu einem Jahr dauernde Schulung, sondern auch ein verlässliches, langjähriges Engagement vor Ort. Dieser Mangel sei unterem anderen historisch bedingt: Da das Pfadfinderwesen in der DDR offiziell verboten gewesen sei, gebe es nur wenige Erwachsene, die diese Tradition weitergegeben hätten.
Gerade in der derzeitigen Zeit könnten die Pfadfinder einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten. So würden Kinder und Jugendliche durch die in den Gruppen «gelebte Demokratie» schon von klein auf erleben, wie Demokratie funktionieren könne. Für die Jugendlichen selbst eröffneten die verschiedenen Projekte und Angebote neue Erfahrungsräume jenseits der eigenen Familie. Auch die Naturerlebnisse mit Zelten, Singen, gemeinsamen Fahrten und Lagerfeuern sei für Jugendliche sehr attraktiv.
«Der internationale Aspekt, der durch die Zusammenkunft der Pfadfinder aus den unterschiedlichsten Ländern entsteht, ist zudem das beste Rezept gegen Fremdenfeindlichkeit und andere negative Weltbilder», ergänzte Hendrik Knop vom Pfadfinderzentrum in Neudietendorf. Dementsprechend sei auch die Abgrenzung gegen rechtsgerichtete Gruppierungen, die die Ideen der Pfadfinder für sich in Anspruch nehmen wollten, ein wichtiges Anliegen der im RDP versammelten Verbände, so Schümann. Ein Rückschlag sei gewesen, dass die von den Pfadfinderverbänden beantragten Fördermittel aus dem Landeshaushalt trotz des positiven Echos aus der Landesregierung abgelehnt worden seien. «Nach wie vor würden wir uns über eine Unterstützung durch das Land Thüringen natürlich sehr freuen», sagte Schümann.
Momentan sind die «Stämme» genannten Pfadfindergruppen nur in Teilen Thüringens aktiv. Zentren der katholisch geprägten «Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg» - Schümann zufolge der größte der drei RDP-Verbände in Thüringen - sind das Eichsfeld und die größeren Städte wie Erfurt, Weimar und Jena. Im Eichsfeld seien bereits sehr schnell nach der Wiedervereinigung die ersten Gruppen entstanden, einige davon bestünden schon seit 30 Jahren, berichtete Schümann. Der Stamm Jena sei hingegen erst drei Jahre alt, mit rund 60 Mitgliedern aber einer der größten im Freistaat.
Der protestantisch geprägte «Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder» ist aktuell vor allem zwischen Friedrichroda und Gera vertreten. Der überkonfessionelle «Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder» ist der kleinste RDP-Verband im Freistaat. In Südthüringen sind zudem sechs Stämme Mitglied im ursprünglich aus Bayern stammenden «Pfadfinderbund Weltenbummler», sagte eine Sprecherin. Verbände wie die Pfadfinderinnenschaft «PSG» oder der «Bund Muslimischer Pfadfinderinnen und Pfadfinder Deutschlands» gebe es in Thüringen bislang nicht, ergänzte Schümann.
In der Geschichte des Pfadfinderwesens spielte Thüringen eine bedeutende Rolle. So fertigte Alexander Lion, ein in Oberhof ansässiger Arzt, 1909 die erste deutsche Übersetzung des ersten Pfadfinder-Handbuchs von Robert Baden-Powell an und prägte so auch den Begriff «Pfadfinder» als eigenständigen Begriff. Bis heute bilden zudem die «Neudietendorfer Grundsätze» von 1921 eine wichtige Basis für den protestantisch geprägten Verband christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder.
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