Ohne Haushalt Vertrauensfrage? Kritik an Forderung
Bringt Rot-Rot-Grün den letzten Haushalt vor der Landtagswahl nicht durch das Parlament, sollte Regierungschef Bodo Ramelow nach Ansicht von Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich die Vertrauensfrage stellen. Es sei spätestens dann an der Zeit dafür, wenn der Haushalt platze, sagte Kemmerich am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Wenn die Regierungskoalition nicht mehr weiterkomme, «wäre es ehrlicher, die Vertrauensfrage von Regierungsseite zu stellen», so Kemmerich. Es gebe bereits Anlässe, «wo man merkt, die Gemeinsamkeiten sind aufgebraucht».
Die Landtagswahl ist für den 1. September 2024 geplant. Würde Ramelow die Vertrauensfrage stellen und diese verlieren, könnte dies zu vorgezogenen Neuwahlen führen. Allerdings gilt der Schritt als riskant, weil nach einer Vertrauensfrage auch andere Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt antreten könnten. Im Falle einer erfolgreichen Ministerpräsidentenwahl wäre der Weg zur Neuwahl des Landtags wieder versperrt.
Der 67 Jahre alte Ramelow führt in Thüringen als bundesweit bisher einziger Linke-Ministerpräsident eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Sein Bündnis aus Linke, SPD und Grünen hat keine eigene Mehrheit im Parlament und ist daher auf die Opposition angewiesen. In der Vergangenheit wurden Haushalte teils mit den Stimmen der CDU verabschiedet, teils kam die Mehrheit zustande, weil sich die Christdemokraten im Landtag enthielten.
Derzeit wird im Landtag ein Haushaltsentwurf für 2024 beraten, den die Opposition aber äußerst kritisch sieht.
Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff reagierte mit Kritik auf Kemmerichs Forderung. «Verantwortungsvolle Politik würde darin bestehen, zu einem Landeshaushalt 2024 beizutragen», schrieb Hoff bei X. Zudem wies er darauf hin, dass die von der Opposition beschlossene Grunderwerbssteuer den Haushalt 2024 mit Mindereinnahmen in Höhe von rund 45 Millionen Euro belaste. Diese Steuersenkung nütze weniger Familien als vielmehr Immobilienspekulanten, so Hoff.
Kemmerichs Team warf ihm ebenfalls bei X daraufhin Polemik vor. «Die Landesregierung hat ihren eigenen Haushaltsentwurf um sage und schreibe 1000 Millionen Euro überzogen», schreiben Kemmerichs Mitarbeiter. «Klar, dass dann keine 45 Millionen für Entlastungen von Familien bei der Grunderwerbsteuer zur Verfügung stehen ...»
Vergangene Woche hatte CDU-Fraktionschef Mario Voigt betont, dass die Landesregierung eine «Führungsverantwortung» habe bei den Themen, die sie vorschlage - etwa der Schaffung eines Landesmigrationsamtes. «Die Landesregierung hat aber auch eine Verantwortung mit Blick auf die Frage des Haushalts.» Voigt hatte in den Verhandlungen eine Ergänzungsvorlage gefordert. «Das ist sein Job», sagte er und adressierte damit Regierungschef Ramelow. Man habe ein «großes Interesse», dass der Freistaat eine finanzielle Sicherheit habe, sagte Voigt, der Oppositionsführer im Thüringer Landtag ist. Er hoffe, die Linke versuche nicht, angesichts einer möglichen Parteigründung von Sarah Wagenknecht, einen früheren Wahltermin zu erzwingen.
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