Neue Parlamentsgruppe steht für wechselnde Mehrheiten
Die geplante parlamentarische Gruppe aus ehemaligen FDP- und AfD-Mitgliedern schließt ein Ja zum nächsten Thüringer Landeshaushalt der rot-rot-grünen Minderheitskoalition nicht grundsätzlich aus. Eine Zustimmung sei dann möglich, wenn der Etat den Interessen der Thüringer Bürger entspreche, sagte die Abgeordnete Ute Bergner am Donnerstag in Erfurt. Bergner, die 2021 aus der FDP ausgetreten war, übernahm nach eigenen Angaben das Amt als Gruppensprecherin.
Die Gruppe - sie wäre bei der beantragten Zustimmung des Landtags die zweite nach der FDP - will für wechselnde Mehrheiten im Parlament eintreten. «Aufeinander zugehen und nicht spalten ist unsere Devise», sagte Bergner. Die Wünsche der Bürger müssten sich in Parlamentsbeschlüssen wiederfinden. Extreme rechte oder linke Positionen würden damit nach Meinung der Gruppe nie mehrheitsfähig.
Keine Zustimmung zum Haushalt gebe es jedoch von den vier Abgeordneten, wenn der Etat erneut mit einer Einsparauflage verbunden sei, die von der Regierung umgesetzt werden müsse. Mit einer solchen globalen Minderausgabe, die in diesem Jahr 330 Millionen Euro beträgt, gebe das Parlament seine Entscheidungsbefugnis ab, sagte Bergner.
Die vier bisher fraktionslosen Abgeordneten, die den Gruppenstatus mit mehr Rechten, politischem Gewicht und einer besseren Finanzierung ihrer Arbeit bei der Landtagsverwaltung beantragt haben, sind nach eigenen Angaben aus ihren früheren Fraktionen und Parteien ausgetreten - teilweise erst in den vergangenen Wochen. Sie seien inzwischen alle Mitglieder der Kleinstpartei Bürger für Thüringen, die bisher vor allem von Bergner vertreten wird.
Die Gruppe hat sich nach ihren Angaben auf den Start seit Wochen vorbereitet und sich bereits eine Geschäftsordnung und einen Arbeitsplan mit politischen Schwerpunkten gegeben. Zum Stellvertreter von Bergner wurde der ehemalige AfD-Abgeordnete Birger Gröning bestimmt. Weitere Mitglieder sind die ehemalige AfD-Abgeordnete Tosca Kniese, die wie Bergner Unternehmerin ist, und Lars Schütze, der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen wurde und nach eigenen Angaben die Partei vor etwa zwei Monaten verlassen hat.
Die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss warf der Kleinstpartei Bürger für Thüringen «Schnittmengen zur rechten Querdenkerbewegung» vor. «Mit Toska Kniese, Lars Schütze und Birger Gröning holt sich die Gruppierung Rechtsaußen-Protagonisten ins Boot mit dem offenkundigen Ziel, mehr Steuergelder durch den Gruppenstatus abzugreifen.» Die neue Gruppierung steht nach Ansicht von König-Preuss «außerhalb des demokratischen Spielraums». Eine Zusammenarbeit mit ihr verbiete sich für demokratische Fraktionen.
Thüringens Landtag hat die Besonderheit, dass die Regierungsfraktionen Linke, SPD und Grüne keine eigene Mehrheit haben - ihnen fehlen vier Stimmen. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Steffen Dittes, sieht die Machtkonstellation im Thüringer Landtag durch eine zweite Gruppe nicht verändert. Rot-Rot-Grün werde Unterstützung für eigene Projekte weiterhin bei der demokratischen Opposition von CDU und FDP suchen.
© dpa-infocom, dpa:220623-99-770745/3