Bildungsminister Helmut Holter (Die Linke) spricht bei der Regierungsmedienkonferenz., © Bodo Schackow/dpa
  • Nachrichten

Minister sieht große Herausforderung im neuen Schuljahr

25.08.2022

In Thüringen beginnt am kommenden Montag nach sechs Wochen Sommerferien für mehr als 251.000 Schüler und rund 17.000 Lehrer wieder der Unterricht. Coronamäßig starte das Schuljahr unter fast normalen Bedingungen - ohne Maskenpflicht, in Präsenz und ohne verpflichtende Tests, wie Bildungsminister Helmut Holter (Linke) am Donnerstag sagte. Dennoch stünden die Schulen angesichts der steigenden Zahl ukrainischer Schüler und des gravierenden Lehrermangels vor einer «Herausforderung neuen Ausmaßes».

Einer Prognose zufolge wird bis Jahresende mit bis zu 10.000 ukrainischen Schülern im Freistaat gerechnet. Seit März seien knapp 3200 Mädchen und Jungen aus der Ukraine an den Schulen aufgenommen worden. Gerade in größeren Städten wie Erfurt und Jena seien die Aufnahmemöglichkeiten ausgereizt, sagte der Minister.

Um den Unterricht für die neu angekommenen Schüler sicherzustellen, seien aktuell neun Schulklassen zusätzlich eingerichtet worden, 16 weitere würden derzeit vorbereitet. Klassen würden zudem auf bis zu 30 Schüler aufgestockt. Notwendig seien daher zusätzliche Räume und Personal, sagte der Minister. Er kündigte unter anderem die befristete Einstellung von Assistenzkräften an, die Lehrer etwa bei der Pausenaufsicht oder im Unterricht unterstützen und entlasten sollen.

Um mehr pädagogisches Personal mit Migrationshintergrund einstellen zu können, werde das bisher dafür erforderliche hohe Sprachniveau abgesenkt. Auch sollen besonders erfolgreiche Lehramtsanwärter den Stundenumfang an den Schulen erhöhen können und Studierende neben ihrem Studium für einen Einsatz an Schulen gewonnen werden. Ferner werde um Lehrkräfte im Ruhestand geworben, sagte der Minister. Zugleich kündigte er verstärkt Abordnungen von Gymnasiallehrern an Grund-, Regel- und Gemeinschaftsschulen an.

«Wir steuern auf eine Notsituation zu, wenn wir nichts unternehmen», sagte Holter. Zum neuen Schuljahr seien bislang 379 neue Lehrkräfte unbefristet eingestellt worden. Da Thüringen seit einigen Jahren kontinuierlich einstelle, werde diese Zahl weiter wachsen. Allerdings gingen auch viele Lehrer in den Ruhestand und der Lehrermangel werde auch die nächsten Jahre noch fortbestehen. «Wir stehen jetzt vor dieser großen Herausforderung, faktisch zwei Generationen zu ersetzen.»

Derzeit sind fast 800 Stellen ausgeschrieben und noch unbesetzt. Im vergangenen Schuljahr gab es dem Ministerium zufolge 1021 Neueinstellungen, darunter waren 240 Seiteneinsteiger. Dem standen 1073 Lehrer gegenüber, die aus dem Schuldienst ausschieden. Im neuen Schuljahr werden voraussichtlich 939 Lehrer in den Ruhestand gehen.

Für die CDU-Fraktion werden Schüler mit Lernlücken und Lernproblemen die Hauptleidtragenden sein. Holter habe es versäumt, sich rechtzeitig um ukrainische Lehrkräfte zu kümmern, kritisierte die CDU. Während etwa Sachsen-Anhalt schon mehr als 150 ukrainische Pädagogen eingestellt habe, seien es in Thüringen gerade 22. Für die prognostizierten 10.000 ukrainischen Kinder bis Jahresende seien jedoch mindestens 500 Pädagogen nötig.

Die AfD-Fraktion befürchtet angesichts 10.000 erwarteter ukrainischer Kinder und Jugendlicher den Schulkollaps. Die ukrainischen Schüler müssten in eigenen Klassen, von ukrainisch sprechenden Betreuern und Lehrern in ihrer Muttersprache und anhand der ukrainischen Lehrpläne unterrichtet werden, forderte die Fraktion.

Die SPD-Fraktion erklärte hingegen, jetzt Angst vor dem neuen Schuljahr zu schüren, sei das falsche Signal. Es müsse den Kindern aus der Ukraine ermöglicht werden, in Thüringen zur Schule zu gehen. Dafür heiße es zusammenzurücken, wenn es wirklich nötig sei.

Die Grünen sehen im bevorstehenden Schuljahr einen Schwerpunkt bei der Sprachförderung. Das Land müsse hier seine Angebote weiter ausbauen, teilte die Grünen-Landtagfraktion mit. Auch müssten bildungsbenachteiligte Schüler mehr gefördert werden.

Die FDP-Gruppe im Landtag verlangte angesichts der Personalnot die volle Anerkennung von Abschlüssen aus anderen Bundesländern und die Bereitstellung von mehr Ausbildungsplätzen für Lehramtsanwärter. Auch seien mehr Seiteneinsteiger nötig. Schulleitungen müssten bei Auswahl und Führung des Personals einen größeren Handlungsspielraum haben, hieß es.

© dpa-infocom, dpa:220825-99-510055/5

Teilen: