Mehr Engagement für Frauen mit Gewalterfahrungen gefordert
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Mehr Engagement für Frauen mit Gewalterfahrungen gefordert

24.11.2022

Sozialverbände und Politikerinnen haben eine verstärkte Unterstützung für Frauen mit Gewalterfahrungen angemahnt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte von der Landesregierung und den Kommunen mehr Unterstützung für Betroffene. Die Strukturen dafür seien unterfinanziert und es gebe Versorgungslücken, erklärte Peer Lück vom Paritätischen Thüringen am Donnerstag. «Wichtig ist, dass gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder unabhängig vom Wohnort umfassende Unterstützung erfahren sollten», erklärte Lück.

Bislang sei es beispielsweise nicht einfach für Betroffene, in einem Frauenhaus außerhalb des zuständigen Landkreises untergebracht zu werden. Dies könne aber erforderlich sein, wenn eine Betroffene möglichst weit weg vom Wohnort des Täters untergebracht werden möchte. «Räumlicher Abstand ist für viele Betroffene der erste Schritt in ein neues, gewaltfreies Leben», erläuterte Lück.

Thüringens Sozial- und Familienministerin Heike Werner erklärte, es sei ihr ein Herzensanliegen, dass Frauen gewaltfrei in Thüringen leben könnten. Sie lobte die Kampagne «25.11.ichhandlejetzt!», mit der verstärkt auf die Hilfsangebote im Freistaat aufmerksam gemacht werden sollte. Am 25. November ist der Tag gegen Gewalt an Frauen.

Die Landesgleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler erklärte, es sei tragisch, dass noch immer viele Frauen die Unterstützungsangebote nicht kennen würden. Zudem glaubten viele Frauen immer noch, sie seien selbst schuld, wenn sie Gewalt erlebten. «Aber das ist ein Irrtum: Schuld ist immer der Täter.»

Sie wies darauf hin, dass statistisch gesehen jede Stunde eine Frau durch ihren Partner oder Expartner gefährlich verletzt werde, jeden dritten Tag sterbe in Deutschland eine Frau in Folge häuslicher Gewalt.

Die Thüringer Grünen-Fraktion wies auf eine polizeiliche Statistik hin, wonach in Thüringen 49 Frauen seit dem Jahr 2015 in Partnerschaften oder Ex-Partnerschaften getötet wurden. Nach Angaben der Thüringer Landespolizeidirektion wurden allein im vergangenen Jahr 2408 Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Nach Angaben des Büros der Landesgleichstellungsbeauftragten dürfte die Dunkelzahl deutlich höher sein.

Die Thüringer Grünen-Abgeordnete Laura Wahl erklärte, die Ausmaße häuslicher Gewalt würden in großen Teilen von Politik und Gesellschaft verkannt. «Unser Ziel ist deshalb, in den nächsten Jahren die Frauenhausplätze im Freistaat massiv aufzustocken», so Wahl.

Die Thüringer SPD-Abgeordnete Cornelia Klisch wies darauf hin, dass es nicht nur physische oder sexualisierte Gewalt an Frauen gebe, sondern auch andere Formen - etwa soziale, psychische, ökonomische oder auch digitale Gewalt. Es sei wichtig, darüber zu sprechen.

Die Linke-Vize-Fraktionschefin Karola Stange warnte davor, in der Diskussion bestimmte Gruppen zu vergessen: «Wir müssen den Fokus auch auf von Gewalt betroffene Frauen mit Behinderungen lenken. Frauen mit Behinderung erleben im Durchschnitt weitaus häufiger sexuelle, körperliche oder psychische Gewalt», erklärte Stange. Sie forderte Mindestkriterien für Gewaltschutzkonzepte in Einrichtungen der Behindertenhilfe.

© dpa-infocom, dpa:221124-99-645532/3

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