Raymond Renaud, Überlebender von Buchenwald, sitzt in einem Rollstuhl bei der Gedenkfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald., © Bodo Schackow/dpa
  • Nachrichten

Mahnungen vor neuen Anfeindungen bei Buchenwald-Gedenkfeier

16.04.2023

Rund 500 Menschen haben am Sonntag bei der Gedenkfeier zur Befreiung des einstigen NS-Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar vor 78 Jahren an das Schicksal der Sinti und Roma erinnert. Es gebe bei den deutschen Sinti und Roma keine Familie, die nicht vom nationalsozialistischen Verbrechen des Völkermords in existenzieller Weise betroffen gewesen sei, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, bei der Veranstaltung in Buchenwald. Dazu waren nach Angaben der Gedenkstätte ebenfalls elf KZ-Überlebende gekommen.

Die Erfahrung absoluter Rechtlosigkeit habe sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt und die Identität als Minderheit geprägt, sagte Delfeld und warnte zugleich vor aktuellen Gefahren: «Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa hetzen rechtsextreme und nationalistische Gruppen und Parteien ganz offen gegen unseren demokratischen Rechtsstaat und auch gegen Minderheiten.» Er rief die staatlichen Institutionen dazu auf, den «Antiziganismus als Gefahr ernstzunehmen und diesem entgegenzuwirken». Gerade Minderheiten seien in besonderem Maße auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien angewiesen.

Anlass für das Erinnern an das Schicksal dieser Volksgruppe war der 80. Jahrestag der Deportation der deutschen Sinti und Roma in das KZ Auschwitz-Birkenau. Mehr als 20.000 Männer, Frauen und Kinder wurden im März 1943 nach Auschwitz deportiert - die meisten starben dort in den Gaskammern. Einige Tausend Sinti und Roma ließ die SS 1944 zur Zwangsarbeit von Auschwitz nach Buchenwald und Mittelbau-Dora bei Nordhausen bringen.

Das Gedenken in Buchenwald stand jedoch gleichfalls in diesem Jahr unter dem Eindruck des russischen Angriffsskrieges gegen die Ukraine. Es sei eine Schande, dass Überlebende des Nazi-Terrors und ihre Angehörigen heute in der Ukraine fürchten müssten, Opfer russischer Bomben zu werden, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens Wagner. Er erinnerte daran, dass etwa ein Drittel aller Häftlinge des KZ Buchenwald aus der früheren Sowjetunion stammten - darunter Ukrainer, Russen und Belarussen.

Wie schon 2022 waren auch zu den Gedenkfeierlichkeiten am Sonntag offizielle Vertreter aus Russland und Belarus nicht erwünscht. Bereits am Samstag war für den bei dem russischen Überfall auf die Ukraine getöteten ehemaligen Buchenwald-Häftling Boris Romantschenko in Kromsdorf bei Weimar ein Gedenkbaum gepflanzt worden. Romantschenko kam 2022 im Alter von 96 Jahren ums Leben, als russische Raketen sein Wohnhaus in der ostukrainischen Stadt Charkiw trafen.

In das KZ Buchenwald und seine 139 Außenlager hatten die Nazis von 1937 bis zur Befreiung fast 280.000 Menschen aus ganz Europa verschleppt. 56.000 wurden ermordet, starben an Hunger, Krankheiten oder durch Zwangsarbeit. Die Befreiung Buchenwalds erlebten 21.000 Häftlinge.

Links

© dpa-infocom, dpa:230415-99-326924/6

Teilen: