Der Thüringer Landtag hat in einer Sondersitzung über die Personalpolitik der Landesregierung gestritten., © Martin Schutt/dpa
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Landtag diskutiert Personalpolitik

28.03.2023

Mit welchem Abschluss kann man Staatssekretär werden? Der Thüringer Landtag hat in einer Sondersitzung über die Personalpolitik der Landesregierung gestritten. Die Opposition kritisierte die Einstellungen von Spitzenbeamten teils als Steuergeldverschwendung. Rot-Rot-Grün pochte auf Vielfalt. Anders als der Rechnungshof geht die Landesregierung davon aus, dass nicht nur Juristen oder Politikwissenschaftler die nötigen Voraussetzungen für den Leitungsbereich oberster Landesbehörden mitbringen, wie Thüringens Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) während einer Sondersitzung des Landtags am Dienstag in Erfurt sagte.

Anlass für das Sonderplenum war ein Prüfbericht des Thüringer Rechnungshofes zur Personalpolitik der Landesregierung. Darin wird beanstandet, dass bei der Einstellung etwa von Staatssekretären die Bestenauslese nicht beachtet oder Dokumentationspflichten verletzt wurden. Der Landesrechnungshof wirft der Landesregierung darin systematische und schwerwiegende Verstöße gegen Regeln zur Einstellung von Beamten vor.

Hoff gab Defizite bei der Dokumentation zu. «Das räumen wir ein. Und wir räumen auch auf.» In einer langen Rede konterte er den Vorwurf der Vetternwirtschaft und der Ämterpatronage aus der Opposition. Die rechtliche Grundlage sei mit dem Laufbahngesetz noch von einer CDU-geführten Regierungskoalition beschlossen worden. Damals sei die Ausnahme für die Ausschreibungspflicht für Büroleiter, persönliche Referenten und die Leiter der Bereiche für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit enthalten gewesen. «Von dieser Ausnahme machten alle Thüringer Regierungen seit 1990 gebrauch», sagte Hoff.

Die Thüringer CDU-Fraktion warf der rot-rot-grünen Landesregierung vor, Spitzenbeamte nicht nach Leistung, sondern nach politischer Haltung einzustellen. Eine Staatskanzlei und die Ministerien seien nicht dazu da, «Parteikollegen auf höchsten Posten unterzubringen und das eigene politische Klientel vielfach ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen und auf Kosten des Steuerzahlers mit den höchsten Gehältern und Ruhestandsbezügen zu versorgen», sagte der CDU-Abgeordnete Stefan Schard. Zusammen mit der FDP-Gruppe hatten die Christdemokraten einen Antrag eingereicht, der darauf abzielt, «alle laufenden und geplanten arbeits-, dienst- und beamtenrechtlichen Maßnahmen» auszusetzen, sofern dies rechtlich noch möglich sei.

Die Thüringer AfD-Fraktion um ihren umstrittenen Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke ging noch einen Schritt weiter und forderte die Entlassung von Spitzenpersonal, das die Anforderungen nach der Lesart des Rechnungshofes nicht erfüllt. «In dieser Landesregierung haben nach meiner Überzeugung Menschen systematisch und organisiert Steuermittel veruntreut», sagte der AfD-Abgeordnete Ringo Mühlmann. Seine Fraktion fordere die «sofortige Auflösung aller Arbeitsverhältnisse in den Leitungsebenen, die ohne Ausschreibung und damit ohne Bestenauslese zustande kamen».

Außerdem sollen nach dem Willen der AfD sofort alle Verbeamtungen beendet werden, deren Ernennung noch nicht auf Lebenszeit erfolgte, wenn sie ohne Ausschreibung erfolgt seien. Alle Staatssekretäre, «die unzureichende Voraussetzungen für die Verbeamtung als Staatssekretär» mitbringen, sollen nach Ansicht der AfD-Fraktion entlassen werden. Die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft Thüringer AfD bildet im Parlament die drittstärkste Fraktion, gilt aber politisch als isoliert. In der Vergangenheit stimmte sie teils mit CDU und FDP, wodurch Mehrheiten entstanden.

Nicht nur CDU und FDP hatten einen Antrag gestellt. Linke, SPD und Grünen brachten ebenfalls einen Antrag ein, der darauf abzielt, auch die Einstellungspraxis vor der rot-rot-grünen Regierungszeit zu beleuchten - ab 2004. Linke-Fraktionschef Steffen Dittes sagte, als er den Bericht des Rechnungshofes gelesen habe, habe er eine «Beamtenregierung» vor Augen gehabt, «wo nur noch Juristen und Politikwissenschaftler sitzen.» Der Opposition warf er vor, den Prüfbericht als «politisches Kampfinstrumentarium» möglichst lange nutzen zu wollen. 2024 soll Thüringen einen neuen Landtag wählen.

© dpa-infocom, dpa:230327-99-108915/5

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