Landrat will Flüchtlinge zur Arbeit verpflichten
Vier Stunden pro Tag, 80 Cent die Stunde: Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis will der CDU-Landrat Christian Herrgott Asylbewerber zur Arbeit verpflichten. Man nutze eine entsprechende Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, sagte ein Kreis-Sprecher am Dienstag. Die Geflüchteten sollen einfache Arbeiten erledigen, vor allem in ihrer Gemeinschaftsunterkunft. Dafür gibt es 80 Cent in der Stunde, also maximal 64 Euro im Monat. Weigern sie sich, drohen Geldkürzungen von bis zu 180 Euro im Monat.
Die ersten Arbeitsstunden seien von Geflüchteten bereits geleistet worden, sagte Herrgott. Man stehe aber noch am Anfang der Umsetzung des Konzepts. «Es geht natürlich darum, den Flüchtlingen eine Tagesstruktur zu geben und diejenigen, die arbeiten können, auf den ersten Arbeitsmarkt perspektivisch vorzubereiten», sagte der 39-Jährige. Es gehe aber auch darum, Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, «dass diejenigen, die hier sind und vom deutschen Steuerzahler alimentiert werden, auch mit gemeinnütziger Tätigkeit etwas zurückgeben».
Herrgott wurde bundesweit bekannt, als er Ende Januar zum Landrat des Saale-Orla-Kreises in Ostthüringen gewählt wurde und in der Stichwahl den AfD-Kontrahenten Uwe Thrum bezwang - dabei galt der Landkreis als AfD-Hochburg. Nun wird er für seinen Ansatz im Umgang mit Geflüchteten in den eigenen Reihen gefeiert.
Die Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Beate Meißner schrieb bei X: «Apropos, was macht eigentlich dieser erste AfD-Landrat Deutschlands in #Sonneberg ? Nichts als heiße Luft: weder #Bezahlkarte , noch Arbeitsverpflichtung für #Fluechtlinge ! Die einen hetzen, die anderen machen!» Meißner ist Mitglied des Kreistags im Landkreis Sonneberg in Südthüringen, wo im vergangenen Sommer mit Robert Sesselmann der erste AfD-Landrat Deutschlands gewählt wurde. Nach Angaben des Kreises gibt es dort bisher keine Arbeitspflicht für Asylsuchende. Das Thema soll aber bei einer Kreistagssitzung diese Woche auf der Agenda stehen. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sagte: «Wir müssen die Botschaft aussenden: Wer in Deutschland die Solidarität der Gemeinschaft erfährt, muss dafür auch etwas zurückgeben.»
Thüringens Integrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne) kritisierte Herrgotts Politik scharf: «Herr Herrgott macht genau das, was rechte Gruppierungen zurzeit versuchen: Er bedient das falsche Narrativ von den arbeitsscheuen Geflüchteten», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei bekannt, dass die meisten Flüchtlinge arbeiten wollten, aber noch immer an Arbeitsverboten und zu großer Bürokratie scheiterten. «Das ist nicht nur schäbig. Herr Herrgott gießt so auch Öl in ein Feuer, das die demokratischen Kräfte gerade auszutreten versuchen.»
Nach Angaben eines Sprechers des Saale-Orla-Kreises soll die Arbeit zunächst an Geflüchtete verteilt werden, die freiwillig dazu bereit sind. Arbeit gebe es unter anderem in den Unterkünften selbst - etwa Reinigung, Hilfsarbeiten bei Reparaturen oder Pflegearbeiten im Außenbereich. Auch Kommunen und gemeinnützige Träger seien kontaktiert und ermutigt worden, «Arbeitsgelegenheiten zu schaffen oder anzufragen», sagte der Sprecher. Wichtig sei, dass diese Arbeitsgelegenheiten keine regulären Arbeitsplätze gefährdeten. Auch Vereine sollen für solche Arbeitseinsätze in Frage kommen.
Herrgott hatte seine Politik bereits in der vergangenen Woche in der ZDF-Talk-Sendung von Markus Lanz skizziert und etwa Grünschnittarbeiten im Außenbereich einer Flüchtlingsunterkunft als Beispiel für Arbeitsgelegenheiten genannt. Das Konzept gehe zurück auf einen Kreistagsbeschluss, der bereits im Herbst 2023 gefallen sei, also vor seinem Wahlsieg. Er betonte, dass es ihm auch um die Umsetzung geltenden Rechts gehe.
Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf fünf: «Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.»
Der CDU-Landrat räumt ein, dass mit der Organisation der Arbeit für die Geflüchteten «ein hoher Verwaltungsaufwand» verbunden sei. «Aber er ist aus meiner Sicht gerechtfertigt.»
Der Thüringer Flüchtlingsrat kritisierte das Vorgehen in dem Ostthüringer Landkreis. «Eine Arbeitspflicht ist aus unserer Perspektive völlig absurd», sagte Projektkoordinatorin, Juliane Kemnitz. Die Realität sei, dass es für Flüchtlinge gerade in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft in Deutschland ein Verbot gebe, eine Arbeit aufzunehmen. Mit seinem Vorstoß reproduziere Herrgott ein Bild von arbeitsunwilligen Flüchtlingen, das im Grunde falsch sei.
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