Landesregierung unter Druck: Personalpolitik auf Prüfstand
Nach monatelanger massiver Kritik an der Personalpolitik der Thüringer Landesregierung haben Teile der Opposition einen Untersuchungsausschuss beantragt. Das gaben Vertreter der CDU-Fraktion und der parlamentarischen Gruppe der FDP am Donnerstag im Landtag bekannt.
Es handele sich «um den nächsten logischen Schritt, um Aufklärung zu betreiben, weil die Landesregierung uns in Sachen Aufklärung bisher nicht entgegen gekommen ist», sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl. Es stehe nicht weniger als «der mutmaßlich größte Untreueskandal in der Geschichte des Freistaates» im Raum.
Die Minderheitsregierung von Linke, SPD und Grünen ist seit Monaten massiver Kritik wegen ihrer Einstellungspraxis von Staatssekretären und anderen Beamten ausgesetzt.
Hintergrund ist ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Personalpolitik der Landesregierung. Darin wird unter anderem beanstandet, dass bei der Einstellung etwa von Staatssekretären die Bestenauslese nicht beachtet und Dokumentationspflichten verletzt worden seien. Der Landesrechnungshof wirft der Landesregierung darin systematische und schwerwiegende Verstöße gegen Regeln zur Einstellung von Beamten vor. Zudem wurde im Januar bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen des Anfangsverdachts der Untreue ermittelt.
Die Landesregierung räumte Versäumnisse teils ein, etwa bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten. Sie betonte aber auch, dass sie eine andere Rechtsauffassung vertrete.
FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich sagte, die Erfüllung öffentlicher Aufgaben habe «durch das beste Personal zu erfolgen». Er warf der Landesregierung vor allem Versäumnisse bei der Bestenauslese vor. Durch die unbefristete und «die den Qualifikationen nicht entsprechende Einstellungspraxis» entstehe dem Steuerzahler in Thüringen Schaden.
Auf die Ankündigung, einen Untersuchungsausschuss einsetzen zu wollen, reagierte Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) mit Verständnis. «Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Sonderbericht des Thüringer Rechnungshofes ist ein konsequenter Schritt», erklärte Hoff.
Die Landesregierung habe bereits Schlussfolgerungen aus dem Sonderbericht gezogen und werde in der kommenden Kabinettsitzung «die nötigen Beschlüsse fassen». Dem Parlament seien umfangreiche Dokumente zugegangen und weitere Berichte zugesagt. «Wenn dies alles nunmehr in einem Untersuchungsausschuss gebündelt wird, ist das sinnvoll und wird vor allem zur Versachlichung des Umgangs mit dem Thema beitragen», sagte Hoff.
Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses muss nach Angaben des Thüringer Landtags von einem Fünftel der Mitglieder des Parlaments beantragt werden, die Stimmen von CDU und FDP reichen dafür aus. Die FDP-Gruppe hat 4 Abgeordnete und die CDU-Fraktion 21, insgesamt gibt es 90 Abgeordnete im Thüringer Parlament.
Der Antrag von CDU und FDP sieht vor, dass der Untersuchungsausschuss mögliches Fehlverhalten der Landesregierung bei der Postenvergabe aufklären soll. So soll unter anderem der Frage nachgegangen werden, ob und in welchem Umfang die Landesregierungen seit 2015 gegen die Vorgaben des Grundsatzes der Bestenauslese verstoßen haben. Außerdem soll geklärt werden, ob dem Land finanzieller Schaden entstanden ist.
Nach den gängigen Regeln des Landtages hätte wohl ein Linke-Abgeordneter Anrecht auf den Vorsitz des Untersuchungsausschusses. Da die FDP keine Fraktion bildet, hat sie keinen Anspruch auf einen Sitz in dem Gremium. Bühl kündigte an, dass die CDU aber FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich einen ihrer drei Plätze geben wolle.
Auch die Grünen-Fraktion und die SPD-Fraktion begrüßten den Schritt. «Zu einer lückenlosen Aufklärung und Vergleichbarkeit gehört es, so viele Wahlperioden wie möglich in den Blick zu nehmen», forderte Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. Bühl machte klar, dass Vergleiche mit Vorgängerregierungen anlassbezogen angeschaut werden könnten.
Im kommenden Jahr soll regulär ein neuer Thüringer Landtag gewählt werden. Bis dahin muss der Untersuchungsausschuss zu einem Ergebnis kommen. Bühl sagte, es seien mündliche Zwischenberichte und ein schriftlicher Abschlussbericht geplant.
In Thüringen führt Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen. Nach einer aktuellen Umfrage käme dieses Bündnis weiterhin nicht auf eine eigene Mehrheit im Parlament. Dagegen baute die AfD ihren Vorsprung zur Linken in der der repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der «Thüringer Allgemeinen» aus.
Demnach kommt die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD bei der Sonntagsfrage auf 28 Prozent und erreicht damit in Thüringen ihr höchstes bisher gemessenes Ergebnis. Ramelows Linke kommt nur noch auf 22 Prozent.
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