Kommission: Islamistische Gefahr in Thüringen besteht weiter
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Kommission: Islamistische Gefahr in Thüringen besteht weiter

22.09.2022

Nach Einschätzung von Sicherheitsfachleuten gibt es in Thüringen bis zu 200 Islamisten. Es gebe keine etablierten Strukturen, vielmehr personenbezogene Netzwerke ohne erkennbare starke Führungspersonen, sagte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, Raymond Walk, am Donnerstag im Landtag in Erfurt. Zu beobachten sei, dass sich in jüngster Zeit Frauen verstärkt radikalisierten und islamistische Aktivitäten sich eher im Privatbereich abspielten. «Die elf etablierten Moscheevereine in Thüringen spielen keine große Rolle mehr.»

Walk legte für die Kommission, die den Landesverfassungsschutz kontrolliert, einen Bericht für den Zeitraum von 2020 bis 2022 vor.

Er verwies auf Gefahren, die von Islamisten ausgehen könnten, die in den Thüringer Haftanstalten sitzen. «Die Gefahren die von radikalisierten Gefangenen ausgehen, sind real», sagte Walk. Die Kommission habe die Landesregierung deshalb aufgefordert, ein Konzept für die Deradikalisierung von Inhaftierten vorzulegen. Noch gebe es jedoch keine zufriedenstellende Lösung.

Zur AfD, die die drittgrößte Fraktion im Landtag stellt, sagte Walk, die Kommission teile in vollem Umfang die Einschätzung des Verfassungsschutzes, dass die Thüringer AfD erwiesen rechtsextrem sei. Wegen dieser Bewertung wird die AfD mit ihrem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke seit März 2021 in Thüringen auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln vom Verfassungsschutz beobachtet. Gegenströmungen zu der rechtsextremen Grundtendenz seien in der Partei «kaum noch wahrnehmbar», sagte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission.

Der justizpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Stefan Möller, kritisierte den Bericht und erneut die Arbeit von Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer. Das Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die AfD entspringe auch «politischen Ambitionen von Kramer».

Walk verwies auch auf linksextreme Tendenzen. Es gebe Sachbeschädigungen zumeist von AfD-Büros, in Jena seien im Berichtszeitraum 14 Objekte mit Farbe und Feuerwerkskörpern angegriffen worden, zudem seien Menschen verletzt worden. Außerdem habe es einen Überfall auf ein rechtes Szenelokal in Eisenach gegeben.

Der Linke-Abgeordnete Sascha Bilay warf Walk eine «ständige Gleichsetzung von Links und Rechts» vor. Die SPD-Abgeordnete Dorothea Marx widersprach, diese Gleichsetzung gebe es nicht. Der Bericht mache deutlich, dass die meiste Bedrohung vom Rechtsextremismus ausgehe. Die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss sprach von 2500 Straftaten von rechts.

Die Parlamentarische Kontrollkommission ist derzeit nicht komplett besetzt. Die Kandidaten für den Sitz, der der AfD zusteht, fielen bei Wahlen im Landtag immer wieder durch. Geplant sind nun neue Regeln über eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes, die am Donnerstag beraten und in den Innenausschuss geschickt wurde.

Danach sollen nicht mehr einzelne Fraktionen zwingend in dem Kontrollgremium einen Sitz haben. Übernommen werden soll eine Regelung aus Nordrhein-Westfalen, nach der Mitglieder aus den Reihen der Opposition ebenso wie aus den Reihen der Regierungsfraktionen vertreten sein müssen.

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