«Friedrich Schiller Universität» steht am Eingang des Hauptgebäudes der Uni in Jena., © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
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Koloniales Erbe: Land steht mit Aufarbeitung erst am Anfang

10.02.2022

In Thüringen machen sich Museen und Universitäten so langsam daran, das koloniale Erbe in ihren Sammlungen aufzuarbeiten. So wurden etwa an den Universitäten Erfurt und Jena sowie beim Thüringer Museumsverband kürzlich entsprechende Koordinierungsstellen geschaffen. «In Thüringen steht die Erforschung des kolonialen Erbes am Anfang», sagte die Historikerin Kim Siebenhüner von der Universität Jena der Deutschen Presse-Agentur. Die Universität will am Donnerstag menschliche Überreste («iwi kūpuna») aus ihrem Sammlungsbestand an Vertreter des US-Bundesstaats Hawaii zurückgeben.

Seit der Debatte um das Berliner Humboldt Forum und den Umgang mit Objekten aus kolonialen Zusammenhängen beobachten sowohl Siebenhüner als auch der Thüringer Museumsverband ein gestiegenes öffentliches Interesse an dem Thema. Das Kunst- und Ausstellungszentrum mit Exponaten aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien war schon vor der Eröffnung im September 2021 in die Kritik geraten. Unter anderem ging es dabei um die als koloniale Raubkunst geltenden Benin-Bronzen, die dort ausgestellt werden sollten.

Das zeige exemplarisch, dass auch im Freistaat jedes Museum und jede Sammlung eine kritische Auseinandersetzung und Aufarbeitung mit diesen Objekten vor sich habe, sagte Siebenhüner. Gemeinsam mit der Erfurter Historikerin Christiane Kuller hat sie den Aufbau der Koordinationsstelle der Universitäten vorangetrieben.

In Thüringen gibt es noch keinen Überblick, wie viele Objekte mit Kolonialvergangenheit überhaupt in den Beständen schlummern. Hier wollen die Koordinationsstellen ansetzen. Der Museumsverband wertet hierzu aktuell eine Umfrage unter rund zehn Prozent der Museen im Land aus. Ergebnisse sollen Anfang April auf einer Tagung vorgestellt werden. Dabei gehe es neben Objekten oder menschlichen Überresten mit Kolonialvergangenheit auch um NS-Raubkunst oder Stücke aus der DDR-Zeit. Während zu Objekten aus der NS-Zeit bereits mehr geforscht worden sei, habe es gerade für Forschung zu kolonialer Herkunft bisher kaum Förderungen gegeben.

«Wenn man das detailliert machen will, dann sind das Jahrzehnte an Arbeit, die auf uns zukommen», sagte der Präsident des Museumsverbandes Thüringen, Thomas T. Müller. Der Großteil der Museen in Thüringen habe weniger als fünf Beschäftigte - da fehle schlicht die Zeit für Provenienzforschung. Die Provenienzforschung untersucht die Herkunft von Kulturgütern.

An der Universität Jena wurde erst im Januar die Herkunft von Schädeln und Kopfhäuten aus Namibia, Tansania oder Papua geklärt. Sie entstammen dem Nachlass des Zoologen Ernst Haeckel. Laut Universität sollen sie in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Meldungen an das Auswärtige Amt und die Herkunftsländer seien bereits gemacht worden. Eine feierliche Rückgabe, wie sie im Fall der menschlichen Überreste aus Hawaii geplant ist, sei jedoch eine Seltenheit. Die Delegation des Office of Hawaiian Affairs bereist derzeit mehrere deutsche Städte, um ihre Ahnen nach Hause zu holen. Laut Siebenhüner steht aber auch in Jena die Aufarbeitung der Bestände noch am Anfang.

«Ich glaube, oder nein, ich glaube nicht, ich weiß, dass die Museen diese Debatten führen müssen. Dass das gut ist für die Museen. Dass sie sich dem auch stellen müssen», sagte der Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha, Tobias Pfeifer-Helke. Der Umgang mit Sammlungen und Beständen ändere sich von Generation zu Generation. Das sieht auch der Museumsverband. Langfristig sei etwa zu wünschen, dass bei allen ausgestellten Objekten auch klar benannt werden könne, in welchem Kontext sie ins Museum gekommen seien.

© dpa-infocom, dpa:220210-99-55721/2

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