Keine Mehrheit zur Verlängerung der Corona-Regeln in Sicht
Viele der Thüringer Corona-Maßnahmen könnten trotz hoher Inzidenz schon bald ein Ende finden. Die CDU-Fraktion will eine Verlängerung der Regeln nicht mittragen. Damit zeichnet sich ab, dass strengere Corona-Maßnahmen als vom Bund als Basis-Schutz vorgegeben, keine Mehrheit im Parlament finden könnten. Man komme in eine neue Phase der Pandemie, erklärte CDU-Fraktionschef Mario Voigt am Mittwoch in Erfurt. «Es ist Zeit, die Perspektive für die Menschen, nicht das Virus, zum Ausgangspunkt der Politik zu machen. Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben», forderte Voigt. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag in Thüringen am Mittwoch bei 2218,3 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen einer Woche.
Nach dem geänderten Bundesinfektionsschutzgesetz sollen die meisten tiefgreifenden Corona-Maßnahmen enden - unter anderem auch eine umfassende Maskenpflicht im Einzelhandel oder in Innenräumen von Gaststätten. Als Basis-Schutzmaßnahme soll dann noch etwa eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr oder in Krankenhäusern möglich sein. Die Thüringer Landesregierung hatte eine Übergangsregelung genutzt, um die bestehenden Regeln bis zum 2. April fortzusetzen.
Linke, SPD und Grüne sprachen sich angesichts von Rekordwerten bei der Sieben-Tage-Inzidenz und auch wieder steigenden Krankenhausbelegungen mit Covid-19-Patienten für ein Weiterführen der Maßnahmen aus. Dafür wäre aber ein Landtagsbeschluss nötig, für den Rot-Rot-Grün auf vier Stimmen der Opposition angewiesen wäre. Nach der Absage der CDU-Fraktion gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit zustande käme.
Linke-Fraktionschef Steffen Dittes kritisierte die Haltung der CDU-Fraktion. Sie verweigere sich einer Diskussion über «geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen und überlässt den Schutz jedem Einzelnen und macht damit viele schutzlos», schrieb der Linke-Politiker bei Twitter.
Voigt argumentierte, dass die Krankheitsverläufe bei Infektionen mit der Coronavirusvariante Omikron milde seien. «Deshalb müssen wir jetzt mehr Normalität wagen.» Ein Perspektivwechsel sei erforderlich. «Den Plan von Rot-Rot-Grün, die bestehende Corona-Verordnung fortzuschreiben und Thüringen als komplettes Bundesland zum Hotspot zu erklären, lehnen wir ab», machte Voigt in einem schriftlichen Statement klar. Man setze stattdessen auf das verantwortungsvolle Handeln der Bürger.
Die Erfurter Professorin für Gesundheitskommunikation, Cornelia Betsch, wies darauf hin, dass die große Mehrheit der Menschen das Gefühl habe, dass das Virus eine gewisse Gefahr darstellt, vor der es sich zu schützen gilt. «Und das funktioniert in der Meinung der meisten am besten durch Regulierung - nicht mit Empfehlungen.» Laufe etwa die Maskenpflicht aus, gehe sie davon aus, dass schon bald nur noch wenige Masken im öffentlichen Raum zu sehen sind.
«Man hat immer das Problem des Stigmas. Wenn man weiter Maske trägt, kommuniziert man auch etwas über sich - etwa, dass man Corona hat oder besonders vulnerabel ist», erläuterte Betsch. Die Menschen hätten sich an die Pflicht inzwischen gewöhnt. «Und da jetzt auf Eigenverantwortung zu setzen, darauf sind wir nicht trainiert und dazu fehlt auch die Kommunikation.»
Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen entschieden am Mittwoch, dennoch ein Sonderplenum zu beantragen, und dem Parlament eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen zur Abstimmung vorzulegen. Die Landtagssitzung soll am Montag stattfinden. «Fakt ist: die Inzidenzen steigen, es braucht Schutz+weitere Maßnahmen. Wir als #r2g werden auch nichts unversucht lassen, dafür um breite Zustimmung im Landtag zu werben», schrieb die Thüringer Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich bei Twitter.
Thüringens SPD-Fraktionschef Matthias Hey sagte, es sei eine «sehr ernste Situation». «Wir machen ein parlamentarisches Angebot und hoffen, dass das in Gänze oder in Teilen angenommen wird», sagte Hey. Dittes betonte, es gebe eine Verpflichtung, sich als Parlament zu verständigen, wie es in Thüringen mit den Corona-Regeln weitergehe. «Und da steht auch jeder einzelne Abgeordnete in der Pflicht», sagte Dittes. Gegebenenfalls wolle man über die Corona-Maßnahmen einzeln abstimmen lassen.
Unterdessen warnte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums, die Kliniken im Freistaat befänden sich derzeit wieder «in einer sehr angespannten Situation». Es müssten inzwischen wieder planbare Operationen von Menschen verschoben werden, weil das vorhandene Personal für die Betreuung von Covid-19-Patienten gebraucht werde. Laut Landeskrankenhausgesellschaft befinden sich viele Ärzte und Pflegekräfte selbst in Corona-Quarantäne.
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