Kammerpräsident: Lage im Handwerk ist besorgniserregend
Lieferengpässe, explodierte Energie- und Rohstoffpreise und Fachkräftemangel versetzen das Thüringer Handwerk in Sorge. «Das Handwerk agiert weiterhin im Krisenmodus. Die wirtschaftliche Situation ist besorgniserregend», erklärte der Präsident des Thüringer Handwerkstags, Stefan Lobenstein, am Montag in Erfurt. Die Preisexplosion würde manche Betriebe in die Knie zwingen und ließen eine der stabilsten Säulen der Thüringer Wirtschaft ins Wanken geraten. Das Geschäftsklima sei so schlecht wie zuletzt im Jahr 2005, habe eine Konjunkturumfrage im Kammerbezirk Erfurt ergeben.
Das Handwerk ist neben der Industrie der größte Arbeitgeber in Thüringen - knapp 150.000 Menschen werden in fast 30.000 Betrieben beschäftigt.
Die Gefahr von Betriebsschließungen verbunden mit dem Verlust von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen ist laut Lobenstein derzeit sehr real. Es gebe eine Vielzahl von Notrufen bei Beratungsgesprächen. «Handwerker wissen nicht mehr, wie sie die hohen Rechnungen zahlen sollen. Sie stehen ernsthaft vor der Frage, ihren Betrieb - oft ihr Lebenswerk - aufzugeben und Insolvenz anzumelden.» Lobenstein forderte die Bundes- und Landespolitik auf, deutlich entschlossener zu handeln, um den steigenden Preisen und damit der steigenden Belastung der Betriebe entgegenzuwirken.
Nach einer Konjunkturumfrage im Kammerbezirk Erfurt rechnen gehen etwa 95 Prozent der Betriebe in den kommenden Monaten lediglich mit einer befriedigenden bis schlechten Geschäftsentwicklung. Die Entwicklungen auf dem Beschaffungsmarkt, die anhaltenden Lieferkettenprobleme sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sorgten für Verunsicherung. Der Geschäftsklimaindikator sei im Vergleich zum Frühjahr nochmals deutlich gesunken. Ihre derzeitige Geschäftslage würden allerdings noch mehr als drei Viertel der Betriebe fast aller Gewerke als gut bis befriedigend bewerten.
Ein Problem vieler Handwerksbetriebe sei weiterhin der Fachkräftemangel. Er sorgt laut Kammer aber dafür, dass die Beschäftigtenzahlen stabil bleiben - «die Betriebe halten an ihren Fachkräften fest», heißt es in dem Konjunkturbericht. Im Vergleich zum Herbst 2021 würde jedoch der Stellenzuwachse zurückgehen.
Unterschiedlich bewerteten die Betriebe die bisherige Umsatzentwicklung. Am deutlichsten fiel danach der Rückgang in den Betrieben des Nahrungsmittelgewerbes mit minus 57 Prozent aus. Die Gesundheitsgewerke sowie die personenbezogenen Dienstleister wie Friseure verzeichneten ebenfalls deutliche Rückgänge, während das Bauhauptgewerbe nahezu stabil (minus 0,4 Prozent) blieb. Nach Angaben der Kammer berichteten im Vergleich zum Herbst 2021 fast doppelt so viele Betriebe von Auftragsrückgängen, die Investitionsbereitschaft sei gesunken.
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