Ein Polizeifahrzeug steht vor dem Landgericht., © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
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Innenministerium sieht Schwächen bei Studie zu Polizeigewalt

20.06.2023

Die Thüringer Polizei will nach Angaben des Innenministeriums aus der sogenannten Singelnstein-Studie zu Polizeigewalt in Deutschland lernen. «Die Studie wird nach eingehender interner Auswertung Berücksichtigung finden in der Aus- und Fortbildung der Thüringer Polizei», sagte ein Sprecher des Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Wie genau diese Schlussfolgerungen aussehen sollen und was daraus konkret für die Ausbildung von Nachwuchsbeamten und die Fortbildung erfahrener Polizisten folgen wird, blieb zunächst allerdings offen. Gleichzeitig betonte der Sprecher, aus Sicht des Innenministeriums habe die Studie nur eine eingeschränkte Aussagekraft.

Die vor wenigen Wochen vorgestellte Studie geht auf ein wissenschaftliches Projekt zurück, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde. In dem Projekt haben Forscher um den Frankfurter Kriminologen Tobias Singelnstein untersucht, wie verbreitet die Anwendung von übermäßiger Gewalt durch Polizisten in Deutschland ist, wo derartige Polizeigewalt besonders häufig auftritt, und wie sie strafrechtlich aufgearbeitet wird. Damit lägen nun erstmals umfassende wissenschaftliche Befunde zu übermäßiger Gewaltanwendung durch Polizisten in Deutschland vor, schreiben die Autoren in der Zusammenfassung ihrer Untersuchungsergebnisse. Singelnstein ist Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Die Studie zeigt unter anderem, dass Polizeigewalt besonders häufig im Zusammenhang mit Demonstrationen und Fußballspielen vorkommt. «Aber auch Einsatzsituationen außerhalb von Großveranstaltungen, wie Konfliktsituationen oder Personenkontrollen, spielten eine erhebliche Rolle», heißt es von den Forschern. Vor allem männliche Polizisten im Alter bis 30 Jahre würden immer wieder übermäßig hart gegenüber anderen Menschen agieren.

Zudem zeigt die Untersuchung, dass die entsprechenden, häufig vorkommenden Vorwürfe nur im Ausnahmefall zu Anklagen gegen die beteiligten Polizisten führen. Das liege auch daran, dass die Justiz den Darstellungen von Polizisten zu bestimmten Situationen häufiger glaube als den Opfern von Polizeigewalt.

Der Sprecher des Innenministeriums erklärte, die Studie sei aus Sicht des Ressorts zwar dazu geeignet, die Perspektive derer deutlich zu machen, die tatsächlich oder mutmaßlich Opfer von Polizeigewalt wurden. «Was die Daten leisten, ist folglich eine Information über das subjektive Erleben und die subjektiven Folgen polizeilicher Gewaltanwendung.» Die Studie bilde aber nicht ab, wie Polizisten die entsprechenden Vorfälle erlebt hätten. «Denn eine Analyse der Genese und der Dynamik von Gewalt würde eine Datenbasis voraussetzen, die eine Rekonstruktion von Gewaltinteraktionen ermöglichen würde», sagte der Sprecher. Dazu seien im Idealfall Videoaufnahmen all der Situationen nötig, in denen Menschen sich als Opfer von Polizeigewalt gefühlt hätten.

© dpa-infocom, dpa:230620-99-115362/3

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