Helmut Holter, Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport., © Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
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Holter: Spirale beim Abwerben von Lehrkräften droht

20.01.2023

Die Ankündigung Bayerns, Lehrer aus anderen Bundesländern offensiv abwerben zu wollen, stößt bei Thüringens Bildungsminister Helmut Holter auf Kritik. Mit dieser Absicht drohe Bayern eine Abwerbespirale in Gang zu setzen, «die keines der gemeinsamen Probleme löst», sagte der Linke-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es scheine so, als wolle der Freistaat damit den Konsens der sogenannten Stralsunder Erklärung der Kultusministerkonferenz verlassen. «Die Bekämpfung des deutschlandweiten Lehrermangels muss eine Gemeinschaftsaufgabe der Länder und des Bundes sein, und auch Bayern sollte sich daran beteiligen», sagte Holter.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuvor angekündigt, dass Bayern auch Pädagogen aus anderen Ländern abwerben will, um seinen eigenen Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern zu decken. Dazu werde Bayern nicht nur deutlich machen, dass Lehrer dort zum Teil deutlich besser bezahlt würden als in anderen Ländern. Zudem kündigte er an, ein Paket für Start- und Umzugshilfe für wechselwillige Lehrer auflegen zu wollen.

Mit der Stralsunder Erklärung aus dem Jahr 2009 hatten sich die Bundesländer eigentlich darauf geeinigt, auf das gegenseitige offensive Abwerben von Lehrkräften zu verzichten. Stattdessen solle es unter ihnen «eine vertrauensvolle Abstimmung vor allem bei der Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern» geben, die sich in einem «fairen Wettbewerb» zeige. Auch deshalb habe Thüringen in der Vergangenheit in anderen Bundesländern nicht gezielt um Lehrer geworben, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. «Die Thüringer Lehrergewinnungskampagne ist darauf ausgerichtet, um Lehrkräfte in und für Thüringen zu werben.»

Gleichzeitig gab sich Holter angesichts der jüngsten Äußerungen aus Bayern aber auch demonstrativ gelassen. Thüringen könne in dieser Debatte selbstbewusst auftreten und brauche den Ländervergleich nicht zu scheuen, sagte er. In der Vergangenheit seien die Weichen dafür gestellt worden, dass Lehrer in Thüringen attraktive Arbeitsbedingungen vorfänden. Inzwischen würden zum Beispiel alle neu einzustellen Lehrkräfte in die Besoldungsstufe A13 eingruppiert; unabhängig davon, an welcher Schule sie unterrichteten.

Die Bildungsgewerkschaft GEW zeigte sich dagegen weniger irritiert als Holter von den Aussagen Söders. «Die Ansage der bayerischen Landesregierung, Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern nach Bayern zu holen, werten wir als öffentliches Eingeständnis einer längst gelebten, aber bisher verleugneten Praxis», sagte ein Sprecher des Thüringer Landesverbandes der Gewerkschaft. Es gebe längst einen Wettbewerb um neue Lehrer, den die reicheren Bundesländer gewinnen und die ärmeren Bundesländer verlieren würden. «Und zu Letzteren gehört leider auch Thüringen.»

Vor allem das angekündigte Start- und Umzugshilfepaket und die Aussicht, bei einer Lehrertätigkeit in Bayern in der Nähe des eigenen Wohnorts eingesetzt zu werden, könne manche Pädagogen aus Thüringen überzeugen, in den Nachbarfreistaat zu gehen, sagte der Sprecher der GEW. «Pauschalisieren lässt sich das alles aber nicht.» Je nach der persönlicher Lebenssituation der Lehrer würden die Angebote aus Bayern attraktiv sein «oder eben nicht».

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt bezeichnete die von Holter beklagten Probleme hausgemacht. «Thüringen muss das Thema Lehrergewinnung endlich mutiger angehen», forderte er. Die Landesregierung müsse die Ausbildungskapazitäten steigern, die Einstellungsverfahren beschleunigen und mehr Tempo bei der Qualifizierung von Seiteneinsteigern machen. «Statt zu lamentieren, sollte der Minister endlich anpacken und die Bedingungen in Thüringen attraktiver gestalten.»

© dpa-infocom, dpa:230120-99-287792/3

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