Holter lehnt Zivilschutzübungen an Schulen strikt ab
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter hat Überlegungen für Zivilschutzübungen an Schulen eine klare Absage erteilt. «Nicht mit mir», sagte der Linke-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Solche Übungen gebe es an Thüringer Schulen bislang nicht «und ich bin auch strikt dagegen, Zivilschutz- oder auch Wehrübungen durchzuführen», betonte Holter.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte kürzlich erklärt, sie sehe Schulen in der Verantwortung, junge Menschen auf den Kriegsfall vorzubereiten - auch in Form von Zivilschutzübungen. Zudem rief sie die Schulen auf, ein «unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr» zu entwickeln.
Holter sagte, er habe selbst noch an Übungen zur Zivilverteidigung in der Schule teilnehmen müssen. «Wir haben das als absurd empfunden», sagte er und ergänzte: «Aber die Gefahr, die damit verbunden ist, die geht einem im Kopf um.» Er wolle auf keinen Fall, dass bei Kindern in Thüringen solche Ängste erzeugt würden. «Ich kann nur davor warnen und bin strikt dagegen, dass so etwas durchgeführt wird.»
Eine andere Sache sei es, über den Krieg zu sprechen - etwa über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Diskussionen über das weltpolitische Geschehen seien wichtig - auch an den Schulen. Auch Jugendoffiziere der Bundeswehr könnten an Schulen auftreten, «möglichst zusammen mit Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung», sagte Holter. An Thüringer Schulen gebe es Evakuierungsübungen. Diese seien auch wichtig als Vorbereitung etwa für einen Brandfall.
Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sagte, statt Diskussionen «über Wehrübungen und kriegstaugliche Schüler ist eine sachliche, altersangemessene Aufklärung auf seriöser pädagogischer Grundlage gefragt». Dazu gehöre auch, dass Rettungskräfte und Mitarbeiter der Bundeswehr an Schulen über ihren Beruf und ihre Aufgaben informierten. «Die Zeiten von Wehrkunde an Thüringer Schulen sind zum Glück vorbei. Wer wie Frau Stark-Watzinger solche Debatten lostritt, muss sich nicht wundern, wenn er bei Eltern Angst und Skepsis auslöst», so Tischner.
AfD-Bildungspolitiker Denny Jankowski sagte, man sollte lieber Brand- und Katastrophenschutzübungen in den Schulen durchführen. Ein Kriegsszenario sei unwahrscheinlich und Zivilschutzübungen seien daher unnötig. «Wenn man es falsch macht, macht man den Kindern mehr Angst, als es Sinn macht.»
Die innenpolitische Sprecherin der Thüringer Grünen-Fraktion Madeleine Henfling sagte, man begrüße die Idee, «das Wissen um Erste Hilfe oder Verhalten im Katastrophenfall Lerninhalt an Schulen sein soll». Kritisch sehe man dagegen Forderungen, die Bundeswehr an Schulen stärker einzubinden - oft komme dann die zivile, friedenspolitische Position zu kurz.
Holter warf Stark-Watzinger vor, über ihren Vorstoß nicht in der Kultusministerpräsidentenkonferenz gesprochen zu haben. «Sie hat nicht einen Ton, nicht eine Silbe zu diesem Vorschlag gesagt. Ich hielte es für notwendig, es mit den Bildungsministerinnen und Bildungsministern der Länder zu besprechen.»
Der Vorsitzende der parlamentarischen Gruppe der FDP im Landtag, Thomas Kemmerich, reagierte verärgert auf Holters Äußerungen. «Dass ausgerechnet ein hochrangiger Vertreter des SED-Establishments mit Schnappatmung auf den Vorschlag reagiert, Schüler altersgerecht auf Katastrophenfälle wie etwa im Ahrtal vorzubereiten, ist eine an Peinlichkeit kaum mehr zu überbietende Heuchelei», sagte er. Tausende seien zu DDR-Zeiten gegen ihren Willen in den Wehrkunde-Unterricht gezwungen worden. «Einen solchen Unterricht wird es mit der FDP ebenso wenig geben wie die erneute Einführung der Wehrpflicht.»
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