Holter gibt Seiteneinsteigern mehr Zeit zur Qualifizierung
Die Herausforderung ist gigantisch, daran lässt Thüringens Bildungsminister Helmut Holter keinen Zweifel: Der Linke-Politiker geht davon aus, dass der Lehrermangel Thüringen auch noch in den 2030er Jahren beschäftigen wird und spricht von einer «Generationenaufgabe». Um sie zu lösen, will Holter weiter auf Seiteneinsteiger ins Lehramt setzen und ihren Start an den Schulen verbessern. «Ohne Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger läuft aktuell gar nichts in der Schule und wir brauchen diese Kolleginnen und Kollegen», sagte Holter am Donnerstag in Erfurt zur Auftakt-Pressekonferenz zum neuen Schuljahr.
Er kündigte an, dass sie künftig am Anfang weniger Unterrichtsstunden geben müssen und damit mehr Zeit für ihre Ausbildung haben. Seiteneinsteiger sollen nach der Einstellung die ersten beiden Halbjahre nicht mehr die volle Stundenzahl, sondern zwischen 8 und 15 Stunden pro Woche Unterricht geben müssen. Das soll ihnen bei der Orientierung und der Ausbildung helfen. Das Plus an Zeit soll ihnen auch mehr Hospitationen ermöglichen, um vom Unterricht erfahrener Kollegen lernen zu können.
Außerdem soll es künftige bessere Jobperspektiven für die Seiteneinsteiger geben. Jene, die bisher nur für ein Jahr befristet eingestellt werden, sollen nach einem Jahr auch unbefristet eingestellt werden können. Voraussetzung sind Hospitationen, bei denen die Kandidaten ihre schulpraktische Erfahrung unter Beweis stellen sollen. Für die neue Regelung ist eine schrittweise Einführung geplant. Los geht es nach Angaben des Ministeriums mit Lehrern für Deutsch als Zweitsprache, für sie gilt die neue Regelung ab sofort, sagte Holter. «Wir öffnen den Einstieg in den Lehrerberuf», betonte Holter.
Im neuen Schuljahr wolle man auch die Einstellungsprozesse beschleunigen - mit schnelleren Anerkennungsverfahren. Künftig sollen Abschlüsse direkt bei den Schulämtern geprüft werden und nicht mehr im Ministerium. «Damit erwarte ich auch, dass wir schneller diejenigen einstellen, die also nicht ein Vollstudium als Lehrerin oder Lehrer absolviert haben», sagte Holter.
Schnellere Anerkennungs- und Einstellungsverfahren gehörten auch zu Forderungen, die aus den Reihen der Opposition zuletzt kamen. Die Thüringer CDU-Fraktion zeigte sich trotzdem unzufrieden mit Holters Bemühungen im Kampf gegen den Lehrermangel. Es fehle ein «klares Konzept», sagte ihr bildungspolitische Sprecher, Christian Tischner.
«Wir brauchen keine Landesregierung, die sich mit dem Lehrermangel abfindet und immerzu nur auf die Vergangenheit verweist, statt endlich konkret zu handeln und mehr neue Lehrer auszubilden», so Tischner.
Die bildungspolitische Sprecherin der parlamentarischen Gruppe der FDP, Franziska Baum, sieht Potenzial für mehr Lehrer durch einen «möglichen Laufbahnwechsel für Bedienstete des Freistaates - insbesondere von den Hochschulen oder in der Erwachsenenbildung», wie sie sagte. Lehrkräfte, die in Verwaltungsinstanzen abgeordnet und versetzt wurden, sollten ihrer Meinung nach «zumindest stundenweise» wieder an Schulen eingesetzt werden.
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