Tilo Kummer (Die Linke), Bürgermeister von Hildburghausen, schaut in die Kamera., © Martin Schutt/dpa/Archiv
  • Nachrichten

Hildburghausen stimmt über Zukunft seines Bürgermeisters ab

24.02.2023

Politik mit AfD und Rechtsextremisten? Für Sozialdemokraten eigentlich ein absolutes Tabu. Doch im südthüringischen Hildburghausen muss nun der Linke-Bürgermeister Tilo Kummer um sein Amt fürchten, weil Stadtratsmitglieder von SPD, AfD, eines rechtsextremen Bündnisses und anderer Gruppierungen gemeinsam einen Abwahlantrag auf den Weg brachten. Über Kummers Zukunft sollen am Sonntag die Hildburghausener entscheiden. Senken sie den Daumen, wäre das wohl auch für die Thüringer SPD eine schwierige Situation.

«Ich hoffe, dass Tilo Kummer dieses Abwahlverfahren übersteht und er auch weiterhin in seiner Funktion dort tätig sein kann», sagte der Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Hildburghausen, Thomas Jakob. Er habe das Vorgehen «der Genossen vor Ort» von Anfang an kritisiert. Damit war er nicht der einzige in der SPD.

Klare Worte kamen etwa auch von Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier. «Wir können eine Abwahl eines Linken-Bürgermeisters nicht mit Stimmen der AfD auf den Weg bringen», hatte Maier im November gesagt, als die ganze Sache noch hätte abgeblasen werden können. Schon auf dem Antrag zum Abwahlverfahren fanden sich SPD-Unterschriften. Um das Verfahren dann tatsächlich in Gang zu setzen, war eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat nötig. Ohne die drei SPD-Stimmen wäre sie nicht zustande gekommen. Doch die Abstimmung gelang - nun werden die Hildburghausener am Sonntag zur Wahlurne gebeten.

Dabei stimmten die SPD-Stadträte nicht nur mit AfD-Leuten zusammen, sondern auch mit einer rechtsextremen Gruppierung. Im Hildburghausener Stadtrat sitzt ein Mitglied der Wählervereinigung Bündnis-Zukunft-Hildburghausen (BZH). Im Verfassungsschutzbericht 2019 wurde die Gruppierung als «führende rechtsextremistische Vereinigung im Landkreis Hildburghausen» bezeichnet.

In dem Abwahlantrag hatten die Unterzeichner damals argumentiert, das Vertrauensverhältnis der Bürger zum Bürgermeister sei gestört. Besorgte Einwohner hätten sich teils persönlich an die Stadträte gewandt, weil sie mit seiner Amtsführung unzufrieden seien. Streitthemen waren unter anderem ein Schwimmbad und Probleme in einem Kindergarten.

Auch Jakob sagt: «Der Bürgermeister hat ein Kommunikationsproblem.» Das Abwahlverfahren sei aber der falsche Weg. Ohnehin seien zu viele Emotionen im Spiel gewesen. Es gebe keine Verfehlungen von Kummer, die im Sinne des Kommunalrechts ein Abwahlverfahren gegen ihn notwendig gemacht hätten. «In dieser Situation wird auch das Amt eines Bürgermeisters erheblich beschädigt», sagt er.

Kummer hat keine stabilen Mehrheiten im Stadtrat, er muss sie sich organisieren. Für den Haushalt 2023 stimmte eine Zweidrittel-Mehrheit, kurze Zeit später kam der Abwahlantrag.

Als dann auch noch der Beschluss für das Abwahlverfahren stand, zeigten sich prominente Vertreter der Thüringer SPD fassungslos. Die SPD-Landtagsabgeordnete Diana Lehmann hatte mit weiteren Genossen ein Parteiordnungsverfahren gegen die beiden verbliebenen SPD-Stadträte angestoßen, später wurde es zurückgestellt. Eine SPD-Stadträtin hatte ihren Parteiaustritt erklärt - sie ist aber weiterhin Fraktionsmitglied.

Kummer selbst hofft auf eindeutiges Ergebnis am Sonntag. Die Regeln sind kompliziert. Die Frage auf dem Stimmzettel lautet: «Sind Sie für die Abwahl des Bürgermeisters Herrn Tilo Kummer?» Für eine Abwahl sind aber nicht nur mehr Ja- als Nein-Stimmen nötig. Die Ja-Stimmen müssen auch mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten repräsentieren. Mit Stand vom 10. Februar 2022 gab es 9406 Wahlberechtigte. Die Zahl kann sich noch ändern - etwa wegen Sterbefällen. Wählen dürfen die Hildburghausener ab dem Alter von 16 Jahren.

«Das Schlimmste wäre, wenn es am Ende ein klar ablehnendes Votum gibt, aber das Quorum wird nicht gehalten. Dann kommen wir überhaupt nicht weiter in der Stadt und drehen vielleicht die nächste Runde», sagt Kummer. Mehrere Stadträte hätten für diesen Fall wohl angekündigt, einen zweiten Anlauf für eine Abwahl nehmen zu wollen.

«Mir wäre ein klares Votum wichtig, damit diese Zeit der Unsicherheit vorbei ist», sagt er. Das Schwimmbad sei kaputt, für eine Sanierung müsse aber der Haushalt umgestellt werden. Zugleich wollte er eigentlich Förderung für das Stadion beantragen, das derzeit nicht funktionsfähig sei. «Ich kann aber nur einen Antrag sinnvoll stellen auf Sportstättenförderung», sagt Kummer. Der Fußballverein sei der größte Verein in der Stadt, an der Schwimmhalle hänge das Schulschwimmen. Wenn es ein weiteres Abwahlverfahren gebe, würde das die ohnehin schwierige Diskussion seiner Ansicht nach noch schwieriger machen.

«Ich glaube, die Situation wird, egal, wie das dort ausgeht, für die SPD lokal eine Herausforderung für die nächsten Jahre werden», sagt SPD-Kreisverbandschef Thomas Jakob. Und auch er frage sich, wie könne es in einem Stadtrat, «nachdem so ein drastisches Mittel genutzt wurde», möglich sein werde, Politik zu gestalten».

© dpa-infocom, dpa:230224-99-719085/2

Teilen: