Hausarztquote im Medizinstudium: Gesetzentwurf im Kabinett
Das Thüringer Gesundheitsministerium will mit einer Hausarztquote im Medizinstudium Engpässe bei der ärztlichen Versorgung im Freistaat verhindern. An der Universität Jena sollen voraussichtlich ab dem Wintersemester 2024/25 sechs Prozent der Studienplätze für Humanmedizin an Bewerber gehen, die sich vorab zu einer mindestens zehnjährigen Hausarzttätigkeit in einer Ärztemangelregion in Thüringen verpflichten. Das sieht ein Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums vor, den Ministerin Heike Werner (Linke) am Dienstag in Erfurt vorstellte.
Die Landesregierung setzt damit einen Landtagsbeschluss aus dem Jahr 2020 um, in dem neben mehr Studienplätzen an der Medizin-Fakultät Jena eine solche Quote gefordert wird. Die Zahl der Studienplätze ist bereits auf 286 aufgestockt worden. Demnach würden künftig 17 Studienplätze an Thüringens bislang einziger Ärzte-Ausbildungsstätte für die Vorab-Quote zur Verfügung stehen. Die Regionen mit besonderem Versorgungsbedarf sollen von Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Thürigen und gesetzlichen Krankenkassen gemeinsam festgelegt werden.
Bei Bewerbern, die sich auf die zehnjährige Verpflichtung zur Arbeit dort einlassen, soll damit nicht allein der Abiturnotendurchschnitt über die Zulassung zum Medizin-Studium entscheiden. Wer über diese Quote Medizin studieren will, muss laut Gesundheitsministerium einen Vertrag mit dem Land abschließen. Entscheiden sich die Absolventen letztlich doch gegen die zehnjährige Arbeit in einer Thüringer Bedarfsregion, drohen ihnen laut Entwurf Vertragsstrafen von bis zu 250 000 Euro.
Werner verwies zur Begründung der Quote auf die Altersstruktur bei Hausärzten und eine zunehmend ältere und kränkere Bevölkerung. Ein Drittel der Hausärzte in Thüringen sei 60 Jahre und älter und gehe in absehbarer Zeit in den Ruhestand, sagte sie. Nach KV-Daten betrifft das rund 600 Mediziner. Nach Einschätzung der SPD-Landtagsfraktion reagiert der Gesetzentwurf auf ein drängendes Problem.
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Cornelia Klisch verwies darauf, dass aktuell nur ein Drittel der Thüringer Medizin-Studierenden plane, auch für die Zukunft im Freistaat zu bleiben. «Deshalb ist es gut und richtig, den Nachwuchs mit einem attraktiven Angebot für strukturschwache Gebiete zu gewinnen.» Die Krankenkasse Barmer bezeichnete die Quote als einen sinnvollen Baustein, um das Verteilungsproblem in der ärztlichen Versorgung zu lösen. Landesgeschäftsführerin Birgit Dziuk plädierte zugleich für mehr Medizinstudienplätze. Zudem müsse das «Gesamtpaket vor Ort» für Ärzte stimmen. «Sonst sind sie nach Ablauf der Bindefrist wieder fort.»
Zustimmung kam auch von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die die ambulant tätigen Mediziner vertritt. Die Quote sei ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, sagte die KV-Vorsitzende Annette Rommel. Sie plädierte zugleich dafür, die Quote auf zehn Prozent der Studienplätze und auch auf weitere Fachgebiete etwa Augenheilkunde auszudehnen.
Aus Sicht der Landtagsopposition kommt die Landarztquote zu spät. Die Regierung hätte bereits 2020 handeln müssen, erklärte der AfD-Abgeordnete Wolfgang Lauerwald. Vor 2030 sei nicht mit Absolventen in den Mangelregionen zu rechnen. Ähnlich äußerte sich die CDU-Fraktion. «Die Ministerin verschleppt eine der wesentlichen Zukunftsfragen unseres Landes», kritisierte deren Mitglied Christoph Zippel. Angesichts 5000 deutschlandweit fehlender Medizin-Studienplätze sei die Quote ein «Placebo», hieß es von der FDP-Gruppe im Landtag. «Anstatt neue Studienplätze zu schaffen, sucht die Gesundheitsministerin ihr Heil in der Verwaltung der Mangelwirtschaft», monierte der FDP-Gesundheitspolitiker Robert-Martin Montag.
Die Quote hätte nach dem Landtagsbeschluss eigentlich schon ab dem Wintersemester 2021/2022 gelten sollen. Die Arbeit an dem sogenannten Hausärztesicherstellungsgesetz hatte sich nach früheren Ministeriumsangaben wegen der Corona-Pandemie verzögert. Der jetzige Gesetzentwurf soll einem Ministeriumssprecher zufolge voraussichtlich Ende Mai vom Kabinett beschlossen werden und im Juni erstmals im Landtag behandelt werden.
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