Handwerkskammer erwartet Turbulenzen in der Baubranche
Der Präsident des Thüringer Handwerkstags, Stefan Lobenstein, rechnet ab Frühjahr mit einem Einbruch bei den Aufträgen im Baugewerbe. «Gerade auf dem Bau merken wir deutliche Einbrüche der Neuaufträge», sagte Lobenstein, der auch Präsident der Erfurter Handwerkskammer ist, am Montag in Erfurt. Das Baugewerbe sei während der Corona-Pandemie ein Stabilitätsanker und Hoffnungsträger gewesen, weil es dort trotz der Krise eine gute Auftragslage gegeben habe. Nun ändere sich dies durch die gestiegenen Baukosten und die höheren Zinsen bei Baukrediten. «Wir vermuten, dass dies im Frühjahr zu einem Einbruch der aktuell noch robusten Geschäftslage führen wird», sagte Lobenstein.
Teils realisierten auch private Bauherren ihre Projekte nicht, bereits erteilte Baugenehmigungen würden nicht weiterverfolgt - aus Sorge, diese nicht mehr finanzieren zu können.
Der Hauptgeschäftsführer der Erfurter Handwerkskammer, Thomas Malcherek, sagte, die Sanierung und der Bau bei Bestandsgebäuden laufe weiter gut. Bei Neubauten fehle es aber an Neuaufträgen. Man habe jetzt noch einen Auftragsvorlauf, sagte Malcherek. Bis zum Frühjahr, teils bis Anfang des Sommers, würden diese Aufträge noch abgearbeitet. Aber nach derzeitigem Stand breche die Auftragslage dann bei Neubauten ein. «Im zweiten Quartal wird es spürbar und im dritten Quartal wird es besonders spürbar.»
Die Kosten für Bauprojekte seien schwerer zu kalkulieren, hinzu komme der gestiegene Bauzins. «Von einem auf vier Prozent, wenn ich es nicht einkalkuliert habe, tut das schon weh», sagte Malcherek. Von der Eintrübung der Auftragslage werden seiner Einschätzung nach als erste Maurer und Betonierer betroffen sein. «Der Neubau beginnt mit dem Rohbau.»
Die sich schlecht entwickelnde Auftragslage bei Neubauten bedeute aber nicht, dass es in der Branche nichts mehr zu tun gebe. «Es wird weiterhin saniert, die energetischen Maßnahmen bleiben», sagte Malcherek.
Er äußerte auch Sorgen, dass sich die Auftragslage im öffentlichen Bereich perspektivisch deutlich verschlechtern könnte. «Jetzt haben wir noch gute Steuereinnahmen», sagte er. Aber man müsse abwarten, wie zukünftige Haushalte in den Landkreisen und Städten aussehen werden. Wenn die Kommunen weniger investierten, werde es Rückgänge bei den Aufträgen für Handwerker geben.
Lobenstein machte aber auch nicht viel Hoffnungen, dass Kunden in diesem Jahr deutlich kürzer auf eine Handwerker-Leistung warten müssten. «Der Handwerker an sich ist ja interessiert an der Abarbeitung des Auftrags», sagte Lobenstein. Es hänge aber maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab - etwa von der Verfügbarkeit von bestimmten Bauteilen oder Materialien. «Also machen Sie sich keine Sorge um das Beheben der Havarie, seien Sie besorgt, wenn Sie eine Technologie einführen wollen, die von Fernost abhängig ist», sagte Lobenstein. Für Bereiche mit einer solchen Abhängigkeit glaube er nicht, dass es in diesem Jahr besser werde als im vergangenen Jahr. als Beispiel nannte er die Knappheit bestimmter Bauteile für Photovoltaikanlagen.
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