Handwerker blicken mit Sorge auf 2024: Einbrüche beim Bau
Auf Thüringens Baugewerbe kommen schwierige Zeiten zu. «Für 2024 mache ich mir Sorgen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Thüringer Handwerkstags, Thomas Malcherek, der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Das betreffe vor allem den großen Bereich des Bauhandwerks, zu dem in Thüringen etwa jeder vierte Betrieb gehöre. Die Neubauprojekte von privaten und gewerblichen Auftraggebern sowie Projektentwicklern seien dramatisch gesunken ebenso wie die Zahl der Baugenehmigungen. «Was jetzt nicht genehmigt ist, wird in den nächsten Monaten nicht gebaut.»
Auch der Chef des Verbands der Thüringer Wohnungswirtschaft (vtw), Frank Emrich warnte: «Wir werden in den Jahren 2024, 2025 und 2026 ein erhebliches Problem in der Bauindustrie im Bereich Hochbau haben, wenn wir nicht schnell umsteuern.» Viele Unternehmen hielten sich mit Investitionen zurück. So hätten die Wohnungsbaufirmen im vtw für 2023 ursprünglich 574 Millionen Euro eingeplant - letztlich werden aber voraussichtlich hundert Millionen Euro weniger ausgegeben. Auch 2024 und 2025 wollten die Unternehmen das Thema Neubau zwar anfassen, aber mit deutlich angezogener Handbremse, sagte er.
Malcherek plädiert für mehr steuerliche Anreize für den Wohnungsbau, die es in der Vergangenheit bereits gegeben habe. Heute würden Investoren zu selten ihr Geld in den Kauf und die Modernisierung von Mehrfamilienhäusern stecken.
Einbruch bei Bauaufträgen im Frühjahr
Nach Prognosen könnte es bereits um Ostern im Thüringer Bauhandwerk zu Kurzarbeit kommen. «Das ist schon Thema in den Betrieben. Es sind keine Aufträge da», sagte Malcherek. Ob die von 6,5 auf 5,0 gesenkte Grunderwerbssteuer in Thüringen deutliche Verbesserungen bei der Auftragslage bringt, ist aus seiner Sicht fraglich. Die Steuersenkung sei richtig, weil Thüringen im Ländervergleich einen hohen Steuersatz gehabt habe. Mittelfristig könne sie jungen Familien finanziell eine Erleichterung beim Bauen bringen.
Die absehbar schwierige Lage kann nach Einschätzung von Malcherek sogar dazu führen, dass Bauhandwerker im Alter um die 60 Jahre früher in Pension gingen und ihre Betriebe aufgäben. «Ein Grund könnte sein, dass Verluste vermieden werden sollen und es ohnehin kaum Aussicht gibt, dass der Betrieb an einen Jüngeren übergeben werden kann.» Einige Betriebe würden möglicherweise auch nur verkleinert.
Weniger Aufträge, trotzdem Wartezeiten
Das könnte zu der paradoxen Situation führen, dass Auftraggeber weiterhin warten müssten, bis ihre Anliegen umgesetzt werden. In den vergangenen Jahren mussten Auftraggeber teilweise lange Zeit warten, bis Handwerker kamen, weil deren Auftragsbücher voll waren.
Nach Zahlen des Statistischen Landesamts vom Donnerstag brach der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe zuletzt deutlich ein. Von Januar bis Oktober kamen rund 148 Millionen Euro und damit etwa 34 Prozent als im Vorjahr zusammen. Beim Umsatz ging es um 13 Prozent auf 206 Millionen Euro zurück. Zuletzt hatten die Statistiker von deutlichen Einbrüchen bei den Baugenehmigungen berichtet. Knapp 2000 Genehmigungen für Neubauwohnungen bis Oktober 2023 seien der niedrigste Stand seit 13 Jahren, hatte es geheißen.
Derzeit gibt es laut Handwerkstag rund 29.700 Handwerksbetriebe in Thüringen. Sie sind mit etwa 148.000 Beschäftigten und rund 6500 jungen Leuten in der Ausbildung ein wirtschaftliches Schwergewicht und ein wichtiger Arbeitgeber. Seit Jahren sinke jedoch die Zahl der Betriebe. «Das wird in Zukunft nicht besser», so die Hauptgeschäftsführer.
Ausbaugewerbe mit Ausweichmöglichkeiten
Weniger angespannt als im Bauhauptgewerbe stelle sich die Lage im Ausbaugewerbe dar, sagte Malcherek. Dort gebe es noch einen besseren Auftragsbestand, zudem könnten die Betriebe durch Modernisierungen einiges abfangen. Im Bereich Heizung, Sanitär, bei Bodenlegern, Malern, Elektro-, Sicherheits- und Steuerungstechnik gebe es mehr Ausweichmöglichkeiten für die Betriebe.
Gut sei bisher die Situation im Kfz-Gewerbe. «2023 lief es da sehr ordentlich mit Verkauf und Reparaturen.» Aber auch dort gebe es Signale für eine schwächere Entwicklung in diesem Jahr. Das kurzfristige Aus für die Förderung von E-Autos habe für Verunsicherung gesorgt. Schwer zu prognostizieren sei, wie sich der private Konsum nach den teilweise deutlichen Einkommenszuwächsen und möglicherweise weiterhin hoher Inflation entwickle.
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